SWR2 Wort zum Tag

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28AUG2020
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Wir können Grenzen überschreiten. Das macht uns Menschen aus. So habe ich lange gedacht und geglaubt. Aber ich lerne dazu.

Gott ist doch in der Bibel der, der die Menschen in die Freiheit führt. Hinaus aus Grenzen: Die Juden aus der Sklaverei. Jesus aus der Macht des Todes.

Aber Grenzen sind nicht nur zum Überschreiten da. Nicht nur Grenzen zu überwinden, auch sie zu akzeptieren macht menschlich und frei.
Grenzen hindern meine Freiheit nicht nur, sie machen sie auch möglich. Und Gott ist nicht dazu da, uns in die Freiheit zu führen, die wir meinen.

Es macht frei, wenn unsere Nachbarn die Grenze zwischen unseren Gärten achten. Sogar ohne Zaun.

Oder anderes Beispiel: es tut einer Mutter gut, wenn ihr Kind sie nicht maßlos beansprucht. Sondern es akzeptiert, wenn Mama die Tür mal hinter sich zumacht. Es tut Kindern und Eltern gut, wenn sie einander Freiraum lassen und ihre Grenzen akzeptieren. Ich denke, zum Freisein gehört beides: Grenzen zu überwinden und sie zu akzeptieren.

Ich muss auch selber anerkennen, dass ich begrenzt bin. Manchmal tut das weh. Aber meine Grenzen machen mich menschlich. Das unterscheidet mich als Mensch von Gott. Gott ist ewig. Ohne Grenzen. Wenn ich als Mensch glaube, dass ich grenzenlos leben könnte. Das zeigt nur, dass ich Gott verdränge und selber wie Gott sein will.

Grenzen machen uns Menschen aus:
Es gibt Beispiele, an denen ich erfahre, wie menschlich Grenzen sind. Corona zeigt uns Grenzen auf. Die Pandemie macht klar, unsere Welt ist harte Wirklichkeit. Die kann man nicht grenzenlos bereisen und über sie verfügen, nur nach unseren Bedürfnissen. Die Wirklichkeit gibt harte Rückmeldung: Halt: hier sind Grenzen. Ich lese die Proteste gegen Coronamaßnahmen darum auch als Protest gegen die Wirklichkeit. Man will nicht akzeptieren, dass sie Grenzen setzt.

Dieselbe Haltung spüre ich auch im Umgang mit der Schöpfung. „Grenzen des Wachstums“? Dagegen wehren wir uns seit den 1980er Jahren mit Macht. Die Folgen dieser Grenzüberschreitungen spüren wir immer deutlicher.

Am deutlichsten zeigt mir der Tod, dass mein Leben Grenzen hat. Wissen, dass wir sterben werden, das macht uns Menschen menschlich und auf maßvolle Weise frei. Gibt es ein klareres Signal, dass Grenzen zu uns Menschen gehören, als den Tod? Überwinden kann ich ihn nicht.

Ich glaube, es ist menschlich, wenn wir üben, Grenzen zu achten. Grenzen zu achten ist etwas Gutes. Es macht frei. Und als Christ weiß ich, dass wir mit unseren Grenzen gehalten sind von einem Gott, der uns grenzenlos umgibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31556
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