SWR2 Wort zum Tag

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27AUG2020
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Udo Lindenberg, die Bibel und Ernst Jandl. Können diese drei etwas gemeinsam haben? Ja, alle drei wissen um das Geheimnis, wie groß es Menschen macht, wenn wir miteinander sein können. Nicht allein.

Die drei drücken es auf je eigene Weise aus. Sehr verschieden. Aber jeder erinnert wunderbar daran, was im Alltag manchmal verschütt geht oder auch ungesagt bleibt. Zu zweit kann viel mehr sein als 1 und 1.

„Du warst eine Göttin für mich“. Eine echte Lindenbergzeile. Kann man es knapper sagen und prägnanter, was Liebe mit einem Menschen anstellen kann? Die Begegnung mit seiner „Göttin“, einer Cello spielenden jungen Frau, hebt ihn auf. Als ob er aus einem Tiefschlaf erwachen würde und endlich zu leben anfinge. „Du warst eine Göttin.“ Das Leben bekommt Glanz, wenn Menschen einander so sehen und erleben können.

Die Bibel würde so nicht reden. Eine Frau eine „Göttin“ nennen. Oder gar einen Mann einen „Gott“. Nie. Das wäre blasphemisch. Aber auch die Bibel kann ausdrücken, dass menschliches Miteinander „göttlich“ schmeckt.

Auch wenn das beim ersten Hören eher prosaisch klingt:
„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ lässt die Bibel Gott im 1. Buch Mose sagen. Und dann wird diese großartige Szene erzählt, wie Gott den Menschen Adam einschlafen lässt und verdoppelt: Aus einem werden zwei. Als sie aufwachen erkennen sie einander. Erst da ist „der Mensch“ wirklich geschaffen. So, wie Gott gesagt hatte: „nicht allein, ich will ‚Mensch‘ eine Hilfe schaffen, ein ebenbürtiges Gegenüber.“

„Hilfe“, man könnte da heute leicht in die falsche Richtung denken. Aber im Hebräischen ist dieses „Hilfe“ ein Wort, das uns Menschen ganz nah an Gott heranrückt. „Hilfe sein“ in diesem Sinn, kann in der ganzen Bibel sonst nur Gott selbst. Wenn man sich auf ein lebendiges Gegenüber bezieht, wird man „mehr Mensch“ und Gottes Ebenbild.

„Göttin“ bei Udo Lindenberg, „Hilfe“ in der Bibel. Wie passt da Ernst Jandl? In seinem Gedicht „liegen, bei dir“ bringt er wunderbar zur Sprache, wie sein „Ich“ auf einmal erlebt, dass es viel mehr ist. Nicht, indem es „über sich hinaus- wächst“ aus eigener Kraft, oder  als Sieger, sondern einfach als Beschenkter.

ich liege bei dir. deine arme
halten mich. deine arme halten
mehr als ich bin.
deine arme halten, was ich bin
wenn ich bei dir liege und
deine arme mich halten.

Wie das? möchte man fragen. Ganz einfach: So füreinander ist das „Ich“ weit mehr als ungehalten und allein für sich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31555
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