SWR2 Wort zum Tag

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Knapp 30.000 junge Erwachsene träumen derzeit einen gemeinsamen Traum: Sie wollen der nächste Superstar am Musikhimmel werden. Das Verfahren ist denkbar einfach. Bewerbung bei »Deutschland sucht den Superstar«, singen in diversen Shows und dann vom Publikum zum neuen Superstar gewählt werden.
Vorher aber muss jeder durch das Fegefeuer der Jury. Die drei Juroren fertigen im Schnelldurchgang die Möchtegern-Superstars ab, manchmal total begeistert, dann wieder beleidigen sie die Kandidaten. Jetzt brach einer der Vorsänger nach massiver Kritik durch die Jury vor laufenden Kameras zusammen. Eine Frage bewegt seitdem die Gemüter: Tritt dieses Fernsehformat die Menschenwürde mit Füßen? Den Sender lassen solche Fragen kalt. Schließlich wisse jeder, worauf er sich einlasse, geben sie zurück.
Kann man also mit dem Begriff der »Menschenwürde« hier überhaupt irgendetwas anfangen? »Menschenwürde« heißt, dass der Mensch nicht zu einem bloßen Objekt gemacht werden darf. Genau das passiert aber in »Deutschland sucht den Superstar«. Hier strahlt der Sender überwiegend die Auftritte völlig unbegabter Akteure aus. Das gibt der Jury Raum, zu beleidigen und lächerlich zu machen. Der Verdacht liegt nahe: Der Sender spielt mit der Schadenfreude der Zuschauer, macht damit Quote. Die Kandidaten werden also allein aus kommerziellen Gründen vorgeführt. Damit sind sie Mittel der Sendung, bloßes Objekt.
Bedenklich bleibt auch: »Deutschland sucht den Superstar« spiegelt eine Gesellschaft wider, in der es häufig alles andere als menschenwürdig zugeht. Menschen werden am Arbeitsplatz oder in Beziehungen tagtäglich zum bloßen Objekt gemacht, zu jedem Preis vermarktet, von anderen benutzt. Die öffentliche Beschimpfung von Kandidaten in der Show zeigt, was die letztlich menschenverachtende Moral der Sendung ist: Das Recht des Stärkeren. Stark sind die Juroren, später dann das Publikum. Sie nehmen sich das Recht, als jüngstes Gericht über die Sängerinnen und Sänger zu kommen. Das Recht, in endgültiger Weise zu verurteilen. Wer auf dem Boden liegt, auf den darf ruhig noch getreten werden. In der Fernseh-Show geschieht das nur mit sprachlichen Mitteln, in der U-Bahn in München und anderswo ganz real und brutal.
Woher aber kommt das Interesse an einer Sendung wie »Deutschland sucht den Superstar«? Ich glaube, das ganz tiefverwurzelte religiöse Sehnsüchte angesprochen werden. In dieser Show lässt sich erleben, was sonst Gott vorbehalten ist: die »creatio ex nihilo«, die »Schöpfung aus dem Nichts«. Gott schafft – liebevoll – aus dem Nichts die Welt, das Format macht aus einem völlig Unbekannten, einem Nichts innerhalb weniger Monate einen Superstar. Doch mit Liebe hat das nichts zu tun. Der Superstar soll nur dem Geld dienen – so lang es geht. Bis es vorbei ist. Und es ist schnell vorbei. Wer kennt noch die Superstars von gestern?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3155
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