SWR2 Wort zum Tag

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Wieder einmal drängt sich in diesen Tagen eine bioethische Frage in den Vordergrund. Der Bundestag diskutiert ein neues Stammzellengesetz. Aus den Stammzellen entwickeln sich sämtliche Körperzellen. Das macht die Stammzellen für die medizinische Forschung interessant. Sie will mit den Stammzellen schwere Krankheiten wie Parkinson, Zucker oder sogar Krebs heilen. Das aber ist noch Zukunftsmusik.
Im Vordergrund der erbitterten Diskussion steht ein Problem: Stammzellen gewinnt nur, wer menschliche Embryonen zerstört, sie tötet. Viele sind hier schockiert. Sagen zu Recht: Menschen und eben auch Embryonen dürfen nicht getötet werden. Doch der Status des frühen Embryos ist umstritten. Ist er überhaupt ein Mensch, eine Person, schützt das Grundgesetz auch den frühen Embryo?
Lange Zeit galt für die christlichen Kirchen in Deutschland nur eine Antwort: Schützenswertes Leben beginnt, wenn Ei und Samenzelle miteinander verschmelzen – und solches Leben darf für keine Forschung angetastet werden. Die Kirchen lehnten deshalb lange Zeit die Forschung mit embryonalen Stammzellen rigoros ab. Mittlerweile aber dreht sich der Wind. Sicher, der Lebensschutz wird nicht in Frage gestellt. Doch evangelische und katholische Theologen setzen sich in letzter Zeit kritisch mit der eigenen Position auseinander. Sie geben ihre Unsicherheit offen zu. Denn heute bleibt zu fragen, ob das moderne Wissen vom Embryo eindeutige Schlüsse auf den Status des frühen Embryos überhaupt zulässt. So stirbt etwa eine befruchtete Eizelle in einem Reagenzglas über kurz oder lang immer ab. Allein im Mutterleib hat ein Embryo die Chance, sich weiterzuentwickeln. Die Theologen fragen nun, ob das nicht doch möglicherweise ein elementarer Unterschied ist. Und sie fragen: Rechtfertigt dieser Unterschied vielleicht auch eine verbrauchende Embryonenforschung? Überzeugende Antworten stehen hier noch aus.
Diese Fragen machen deutlich: Lebensschutz ist kein einfaches Geschäft – und keines, dass man sich zu einfach machen darf. Gott, so haben es einmal die katholische und evangelische Kirche formuliert, ist ein Freund des Lebens. Deshalb ist das Leben zu schützen. Aber weder die Bibel noch der Glaube sagen für jede konkrete Situation, was das genau heißt. Wann das menschliche Leben beginnt, muss immer wieder in Gespräche zwischen Biologie, Philosophie und Theologie geklärt werden. Neues naturwissenschaftliches Wissen stellt immer wieder das philosophische und theologische Wissen in Frage. Vielen macht das Angst. Sie fordern von der Kirche eindeutige Antworten. Doch sie übersehen, dass es in einer hochtechnisierten und komplexen Welt keine einfachen Antworten gibt. Deshalb ist die neue Debatte um die Stammzellen wichtig. Sie macht deutlich, dass wir immer wieder um die richtigen und guten Antworten kämpfen müssen. Auch in schwierigen moralischen Fragen. Und dass immer wieder neu und gut begründet werden muss, wie Lebensschutz konkret aussieht.



https://www.kirche-im-swr.de/?m=3154
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