SWR3 Gedanken

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29AUG2020
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Wer Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer kennt, der weiß auch, wer Herr Turtur ist. Herr Turtur ist ein Scheinriese. Von weitem eine große und mächtige Gestalt. Aber wenn er näherkommt, schrumpft er immer mehr auf Normalgröße zusammen. Seine ganze Größe ist nur eine Illusion, die sich aus der Nähe betrachtet nicht halten lässt. Er ist eben nur ein Scheinriese.

Solche Scheinriesen kenne ich auch. Die heißen nicht Herr Turtur, die haben andere Namen. Sie heißen zum Beispiel Erfolg oder Ansehen. Riesige Wörter und mächtig beeindruckend, wenn man sie aus der Ferne betrachtet. Wenn man weit weg ist von Erfolg oder Ansehen. Aber oft schrumpfen sie ganz erbärmlich zusammen, wenn man sie aus der Nähe betrachtet.

Für den Erfolg ist die Lebensfreude längst vor die Hunde gegangen. Für das Ansehen bei den einen hat man sich die Sympathie der anderen verscherzt. So muss es nicht sein, so kann es sein. Wenn diese riesigen Wörter mir so erstrebenswert und großartig scheinen, dass alles, was mein Leben eigentlich lebenswert macht, davor zusammenschrumpft und erbärmlich wirkt.

Irgendwie also auch Scheinriesen. Aus der Ferne groß und wichtig, in Wirklichkeit klein und nichtig. Erfolg ist nicht das Maß aller Dinge. Und für Ansehen bei anderen möchte ich eigentlich nicht die Sympathien derer verlieren, die mir wirklich wichtig sind, die ich liebe.

Überhaupt: Vielleicht ist Liebe der einzige Riese, bei dem der Schein nicht trügt. Weil sie sich nicht aufspielt und nicht den eigenen Vorteil sucht. Weil sie in den Schwachen mächtig ist und die Mächtigen entzaubern kann. Wenn ich im Leben also auf etwas setzen will, dann nicht auf scheinbar mächtige Riesen, sondern auf die Riesenkraft der Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31538
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