SWR3 Gedanken

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26AUG2020
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Einmal, da will Jesus seine Ruhe haben. Überall warten die Menschen auf ihn, deshalb geht er über die Grenze ins benachbarte Ausland. Dort wird ihn keiner kennen. Weit gefehlt. Sein Ruf eilt ihm voraus, und es dauert nicht lange, bis er Besuch bekommt. Eine völlig fremde Frau, deren Tochter schwer krank ist. Die hofft bei ihm auf Hilfe. Wiederum weit gefehlt.

Ich habe alle Hände voll zu tun, um für meine Landsleute da zu sein, sagt Jesus, du bist eine Ausländerin und für die bin ich nicht zuständig. Hoppla? Der Heiland für alle Menschen schert sich um Grenzen und Nationen? Das will auch die Frau nicht einsehen. Also bleibt sie hartnäckig.

Mag sein, sagt sie, dass du nur für die anderen da bist. Aber du hast so viel zu geben, da muss doch noch etwas für mich abfallen. So ähnlich wie bei Hunden, die unter dem Tisch der Herren ja auch noch ein paar Brocken finden. Wow, macht die sich klein. Aber das tun Menschen, wenn sie verzweifelt sind. Und Jesus wäre nun doch nicht Jesus, wenn er sich nicht eines Besseren besinnen würde. Das Kind wird geheilt, die Mutter hat erreicht, was sie wollte. Und Jesus?

Jesus tritt in dieser Geschichte viele unserer Vorstellungen von ihm mit Füßen. Wir begegnen keinem Übermenschen, sondern einem Menschen. Erschöpft, müde, ausgelaugt. Keine Kraft mehr, ein Gutmensch zu sein. Keine Kraft mehr für Mitmenschlichkeit. Und damit ist er mir in dieser Geschichte näher als in vielen anderen. Weil ich nicht von Übermenschen lerne, sondern von Menschen.

Und von Jesus, dem Menschen, lerne ich, dass Schwäche sein darf. Solange sie nicht das letzte Wort hat. Das letzte Wort hat in unserer Geschichte dann doch die Liebe. Müde sein ist in Ordnung. Aber die Liebe überwindet Müdigkeit, mobilisiert Kräfte. Und hilft. Wenn und wo sie kann. In der Nähe und in der Ferne. Damals wie heute.

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