SWR3 Gedanken

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24AUG2020
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„Danke für das gute Gespräch“, sagt mein Gegenüber und zwinkert ein bisschen. Schlagartig wird mir klar, warum. Es war gar kein Gespräch. Eine gute halbe Stunde habe ich allein geredet. Als hätte jemand ein Fass geöffnet, ist alles aus mir rausgesprudelt, was mir auf der Seele liegt. Ohne Punkt und Komma. „Danke fürs Zuhören“, sage ich ein bisschen kleinlaut. Und bin gleichzeitig geheimnisvoll erleichtert. Offenbar habe ich tatsächlich einen Kummerkasten gebraucht.

Manchmal ist das Herz so voll, dass es überquillt. Dass man es ausschütten möchte. Dass man jemand ohne Punkt und Komma und Syntax und sprachliche Schönheit vor die Füße werfen möchte, was einen drückt. Und dann ist gerade keiner da, bei dem das geht. Oder es geht, aber irgendwie fühlt es sich blöd an. Als würde man jemandem zur Last fallen. Oder eine Seite zeigen, die eigentlich keiner sehen soll.

Liebe Leute, sagt König David in einem Psalm der Bibel, dieses Problem lässt sich lösen. Wenn gerade kein Mensch da ist, bei dem das geht, dann bietet sich Gott an, bei dem das immer geht. Den interessieren weder Punkt noch Komma, weder Syntax noch sprachliche Schönheit. Den interessiert einzig allein das Herz. Und was es zu sagen hat. Oder zu murmeln hat. Oder zu stammeln hat. Gott ist der perfekte Kummerkasten. Versucht es doch einmal. Sagt König David. Vor so langer Zeit.

Für mich heute. Und mein Herz. Wenn es überquillt. Mit Worten und ohne Worte. Egal. Gott weiß, was ich sagen will. Was ich ihm sagen will. Und das nennt man Beten. Das Herz ausschütten, wann und wo immer ich will. Ohne Skrupel, Hemmungen und ungute Gefühle. Eine Art himmlischer Kummerkasten mit immer offenem Ohr und einem großen Interesse an guten Gesprächen.

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