SWR4 Abendgedanken

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28AUG2020
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„Du musst auch mal verschnaufen,“ hat meine Freundin angeordnet. Am Nachmittag eines langen Arbeitstages ist sie unangemeldet vor meiner Tür aufgetaucht und hatte ein leckeres Eis für mich dabei. Das musste jetzt natürlich sofort gegessen werden, weil es sonst geschmolzen wäre. Also: Jetzt ist Pause. Ich muss „verschnaufen“.

Was für ein schönes altes Wort, dem man anmerkt, dass es um tiefes Luftholen geht in anstrengender Zeit. Und ich habe gemerkt, wie mein Atem gleich ruhiger wurde bei der angeordneten Unterbrechung. Eine Verschnaufpause, das habe ich gut gebrauchen können.

Eine Verschnaufpause ist etwas Schönes. Das weiß ich zwar. Aber an manchen Tagen kommen die Verschnaufpausen bei mir schon mal zu kurz. Da ist es gut, wenn jemand mich erinnert: Du musst auch mal verschnaufen!

Die erste Verschnaufpause, so erzählt die Bibel, hat Gott gemacht. Sechs Tage Schöpfungsarbeit, dann ein Tag Verschnaufpause. Das ist ein guter Rhythmus. Und ich stelle mir vor, dass Gott für seine Menschen will, dass wir das auch so machen wie er. Deswegen gibt es ja den Sonntag. Einmal die Woche verschnaufen. Wie Gott das damals auch gemacht hat.

Ich kriege das nicht immer hin. Immer ist ja noch etwas zu tun. Immer ist irgendetwas noch nicht erledigt. Auch wenn ich weiß: Dieser Rhythmus von Arbeit und Ruhe ist etwas, was schon seit alter Zeit zum Menschsein gehört.

Verschnaufpausen sind in der Zeit der Coronakrise für viele Menschen nicht freiwillig gekommen. Wenn Veranstaltungen abgesagt wurden, wenn die Schule zu hatte oder der Kindergarten, haben manche Menschen gegen ihren Willen zuhause bleiben müssen. Über solche Pausen haben sich auf Dauer die wenigsten gefreut.

Erzwungene Verschnaufpausen sind eben keine Pausen, in denen ich mich erholen kann sondern eher etwas, was gegen meinen Rhythmus passiert und mir dann gar nicht gut tut.

Deswegen haben viele Leute aufgeatmet, als es endlich wieder losgegangen ist mit dem Alltagsleben. Noch sind wir nicht wieder da, wo alles so läuft wie vor der Coronakrise. Aber je normaler das Alltagsleben wird, umso deutlicher kann ich auch erkennen, wie gut es mir tut, wenn es beides gibt: Arbeit und Ruhe, Mühe und Verschnaufpause.

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