SWR2 Wort zum Tag

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08AUG2020
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Wenige Monate nach der Geburt unseres ersten Kindes hat mich mein Kollege und Freund Tobias gefragt: „Hat sich dein Gottesbild eigentlich verändert seit du Vater bist?“ Ich habe erstmal gestutzt, bis mir klar war, worauf er hinauswollte. Jesus spricht von Gott als Vater. Ändert sich an dieser Vorstellung etwas, wenn ich selbst Vater werde?

Damals habe ich Tobias geantwortet: „Nein, zumindest nicht, dass ich etwas bemerkt hätte.“ Aber seitdem denke ich immer mal wieder darüber nach. Und tatsächlich, manche Aussagen über Gott, werden für mich plastischer, wenn ich sie damit vergleiche, wie ich mich selbst als Vater erlebe.

Als Vater liebe ich meine Kinder bedingungslos. Ich kann gar nicht anders. Es ist so. Ich erlebe diese Liebe noch größer als ich davor gedacht habe und tatsächlich glaube ich auch, sie ist größer als meine Kinder sich das vorstellen können.

Und trotzdem oder gerade deswegen ist mir nicht egal, was sie tun. Manchmal bin ich richtig ärgerlich auf sie, z.B. wenn sie grundlos zu streiten anfangen oder beim Essen nur an sich denken, anstatt gemeinsam mitzuhelfen, den Tisch zu decken. Aber egal wie wütend ich manchmal auch bin, nie stellt das meine Liebe zu ihnen in Frage.

Klar habe ich Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft meiner Kinder, und doch möchte ich, dass sie sich frei entwickeln können. Sie sollen nicht exakt so werden, wie ich mir das vorstelle. Aber es gibt Dinge, die mir wichtig sind. Ich fordere von ihnen ein, dass sie sich an bestimmte Regeln halten. Aber nicht, um ihnen meine Macht zu demonstrieren, sondern weil ich überzeugt bin, dass sie gut für sie sind. Das sehen sie allerdings manchmal anders.

Inzwischen sind unsere Kinder im Grundschulalter. Sie werden immer selbstständiger und unsere Beziehung verändert sich dadurch. Aber ich wünsche mir, dass meine Kinder wissen, dass sie immer zu mir kommen können, vor allem mit ihren Sorgen und Nöten. Aber genauso freue ich mich, wenn sie mir mit leuchtenden Augen erzählen, was ihnen Spaß gemacht hat. Mir ist wichtig zu wissen, wie es ihnen geht.

Wenn ich all das auf Gott übertrage, bin ich mir natürlich bewusst, dass er immer nochmal ganz anders ist. Trotzdem hilft es mir, tiefer zu verstehen, wie Gott mich bedingungslos lieben kann, ohne dass ihm deshalb egal ist, was ich tue oder lasse. Er gibt mir die Freiheit, mein eigenes Leben zu gestalten. Aber er fordert mich auch heraus, mich zu fragen, ob es gut so ist. Für mich und für andere. Nicht immer kann ich ihn verstehen, manchmal ist er mir auch fremd. Unsere Beziehung verändert sich ständig, was auch anstrengend ist. Aber ich glaube unser größter Wunsch ist, in Verbindung zu bleiben.

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