SWR3 Gedanken

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19AUG2020
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„Alles muss raus! Wir schließen!“. Das steht im Schaufenster beim Teppichladen direkt bei mir um die Ecke. Und zwar schon seit gefühlt zwei Jahren. Ich weiß nicht, ob die Besitzer wirklich mal den Laden dichtmachen wollten oder ob das Ganze nur ein Werbetrick ist. Die Teppiche werden nämlich irgendwie nicht weniger. Auf jeden Fall hängt da so ein Gefühl von „Wir sind bald weg“ in der Luft.

Bei den ersten Christinnen und Christen muss es so ähnlich gewesen sein. Das waren die Leute, die Jesus noch persönlich gekannt haben und seine größten Fans geworden sind. Bei denen war das kein Werbetrick. Sie waren wirklich davon überzeugt, dass mit der Welt bald Schluss ist und dass dann was ganz Neues anfängt. Jesus war wie ein Held für sie. Und nachdem er gestorben war, waren sie sich sicher: es kann nicht mehr lange dauern, bis Jesus nochmal auftaucht und endlich alles in Ordnung bringt, so nach dem Motto: Ende gut – alles gut.

Beim Teppichladen habe ich mich schon dran gewöhnt, dass der vermutlich nie wirklich zu macht. Aber wenn ich sehe, was in der Welt los ist, dann habe ich doch ein bisschen Bammel, dass die bald dichtmachen könnte. Wie unsere Wirtschaft funktioniert zum Beispiel. Da geht so vieles auf Kosten der Armen und wenn ich verschwenderisch lebe, hat das weltweit fiese Auswirkungen. Oder die ganze Misere rund ums Klima. Ich fühle mich da oft hilflos und weiß nicht, ob wir Menschen aus dem Schlamassel alleine wieder rauskommen. Von daher kann ich die ersten Christinnen und Christen gut verstehen, dass die auf einen großen Helden wie Jesus gesetzt haben. Mich entlastet das auch, wenn ich weiß, ich muss die Welt nicht alleine retten. Mein Glaube macht mir aber auch Mut, dass ich an den Sachen, die nicht gut laufen, doch auch etwas verändern kann. Nicht als großer Held, aber als einer von vielen kleinen überall auf der Welt.

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