SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

07AUG2020
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Bevor ich sterbe. Punkt Punkt Punkt. In der Fußgängerzone der Stuttgarter Innenstadt wurden Passanten gebeten, diesen Satz zu Ende zu schreiben. Bevor ich sterbe … möchte ich:

* dass meine Schwester wieder mit mir spricht
* mir und euch vergeben
* nochmals heiraten
* wirklich gelebt haben.

Das sind nur wenige von vielen hundert Einträgen, die auf großen Tafeln dokumentiert sind. Natürlich gibt‘s auch alberne Antworten und solche, die sich auf sehr naheliegende Wünsche beziehen: durch die ganze Welt zu reisen oder berühmt zu werden. Aber viele gehen ans Eingemachte und zeigen: Das ist eine Frage, die Menschen beschäftigt und zu der sie klare Vorstellungen haben. Viele der tiefgehenden Antworten zeigen, was Menschen wirklich wichtig ist, was sie vermissen, wonach sie sich mit ganzem Herzen sehnen.

Ich finde es gut, sich mit dem Sterben zu beschäftigen - am besten früher als zu spät -, weil es jeden irgendwann trifft. Die Aktion mitten in Stuttgart macht das Thema außerdem öffentlich. Und das finde ich besonders wichtig. Heutzutage wird ja über alles gesprochen, ohne Scham, auch über intime Details des Sexuallebens, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Aber über den Tod …! Da gibt es Vorbehalte. Dass der Tod mir womöglich näher ist als ich denke, darum machen viele einen großen Bogen. Die meisten haben Angst darüber zu sprechen, dass ihr Leben einmal endet, und wie das sein wird, und was sie zuvor noch tun wollen.

Mir ist allerdings klar: Über den Tod zu sprechen, ist auch eine höchst intime Angelegenheit. Ich muss mir selbst trauen, dass ich dabei nicht den Boden unter den Füßen verliere. Ich muss dem vertrauen, mit dem ich darüber spreche, dass er gut damit umgeht, was ich sage. Ich persönlich brauche außerdem das Vertrauen in Gott: dass ich in seinen Händen bin, wenn es einmal so weit sein wird.

Wenn ich an den Tod denke, dann hat das am meisten mit meinem Leben zu tun. Den Tod im Auge wage ich es, offen und ehrlich und frei darauf zu schauen, wie ich lebe, was gelingt und was nicht. Das Nachdenken über den Tod bedeutet gerade nicht, dass ich hier die Hände in den Schoß lege und mich in mein Schicksal ergebe. Nein, gerade weil ich weiß, dass meine Zeit endlich ist, lebe ich mein Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31433
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