SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

05AUG2020
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„Gib mir jeden Tag mein Brötchen!“ So steht es eben nicht im Vaterunser. Weil es egoistisch und unmenschlich wäre, so zu beten. Jedenfalls käme mir diese Bitte nicht über die Lippen. Wenn ich allerdings genauer nachdenke: Ist es nicht das, was ich im Grunde erwarte: dass Gott mir jeden Tag meine Nahrung garantiert, ganz selbstverständlich? Weil es so eben immer war. Seit ich denken kann, wird der Brotkasten bei mir nicht leer.

Die Bitte im Vaterunser lautet anders: Unser tägliches Brot gib uns heute. Es ist etwas anderes, ob ich für mich allein bitte, oder ob ich mich als Teil der ganzen Menschheitsfamilie verstehe. Es heißt nicht „mein Brot oder Brötchen“ und es geht um keine lebenslange Garantie, sondern es heißt: heute. Wer das Gebet Jesu spricht, kann nur erwarten, was bis zum Ende des jeweiligen Tages reicht, und er darf auch nicht an seinem eigenen Wohlergehen hängen bleiben.

Das hat eine Aktion erkannt, von der ich vor kurzem erfahren habe. Sie stammt aus der französischen Schweiz und trägt den Titel: Des calories pour la vie[1]. Übersetzt in etwa: Kalorien fürs Leben. Praktisch geht es darum, einmal pro Woche auf ein Abendessen zu verzichten und den Gegenwert zu spenden - an eine Organisation, die den Hunger in der Welt bekämpft. Ins Leben gerufen hat die Aktion Marc Subilia. Er ist Arzt und Pfarrer und er verfolgt eine doppelte Absicht. Er will nämlich nicht nur denen Gutes tun, die hungern, sondern auch denen, die zu viel auf den Rippen haben. Auf der einen Seite ein Überschuss an Kalorien, der die Gesundheit gefährdet und Krankheiten verursacht. Auf der anderen ein Mangel, der für viele Menschen auf der Welt, Kinder zumal, tödlich ist. Seine Aktion ist so angelegt, dass beide Seiten davon profitieren. Der Arzt sorgt sich um die Gesundheit des Leibes und der Pfarrer will Menschen dafür gewinnen, dass sie teilen lernen, für andere Gutes tun, und so an Gottes Plan mitarbeiten. Das geht bei Marc Subilia Hand in Hand.

Angenommen, das funktioniert. Einmal pro Woche auf ein Essen zu verzichten und so - ich sag’s etwas zugespitzt – Menschenleben retten. Ich kann sofort damit anfangen. Kein Politiker muss etwas entscheiden, keine Dienststelle befragt werden. Und was, wenn ich davon weitererzähle, andere mitmachen? Alles ohne zusätzliche Kosten … Und am Ende vielleicht sogar mit einem neuen Gespür dafür, dass Nahrung wertvoll ist und ganz und gar nicht selbstverständlich.

 

[1] www.descaloriespourlavie.ch

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31431
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