SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

05AUG2020
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Im Osten geht die Sonne auf – eine Binsenweisheit, so scheint es.  Aber schon auf Latein klingt es spannender: „ex oriente lux /, aus dem Orient kommt das Licht“. Da steckt das Wort „orientieren“ drin. Ohne Sonnenaufgang keine Orientierung, denn es fehlte dann der Horizont. Die Unterscheidung von Licht und Dunkel wäre nicht möglich. Überhaupt eine Unterscheidung. Wir tappten im Dunkel, rundum im Finstern oder geblendet von reinem Licht.  Ach, welche Wohltat der Sonnenaufgang ist, selbst bei schlechtem Wetter! Auch heute wieder das Licht der Welt erblicken, selbst bei schlechter Stimmung.

„Morgenglanz der Ewigkeit, / Licht vom unerschaffnen Lichte“. So beginnt nicht nur eines der schönsten Kirchenlieder, es ist die Musik der Menschheit von Anfang an. Der Aufgang der Sonne ist göttlich, und der erste Gott im Leben der Menschen ist – zusammen mit der Mutter – die Sonne. Der Hymnus auf die Welt als Gottes guter Schöpfung gleich am Anfang der Bibel lässt alles mit der Erschaffung des Lichtes beginnen: „Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht“. Auch der Christusglaube beginnt am Ostermorgen, als die Sonne aufging. Kein Wunder, dass man früher die Kirchen und Friedhöfe konsequent nach Osten ausgerichtet hat, und von dort erwartet man den kommenden Christus. „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf in unsrer Zeit“!

Jeder Morgen ist bei Licht besehen also ein Ostermorgen. Im Brevier, dem alten Gebetbuch, lese ich: „Am Beginn dieses Tages gedenken wir deiner Auferstehung: schenke uns heute die Freude deiner Erlösten“. Im dazugehörigen Hymnus heißt es ausdrücklich: „Christus, du bist der helle Tag / dein Glanz durchbricht die dunkle Nacht. Du Gott des Lichtes kündest uns / das Licht, das wahrhaft selig macht.“ (Zur Laudes). In der Tat: Ich darf aufstehen, ich bin heute aufgestanden, ganz wörtlich, und ich werde auferstehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31333
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