Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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12AUG2020
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Für die Kirchen wird es knapp. 500 Tausend Kirchenaustritte, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit schmälern die Kirchensteuereinnahmen. Hinzu kommen Personalprobleme. Tausende von Pfarrerinnen und Pfarrern braucht die evangelische Kirche in den kommenden Jahren, und in der katholischen Kirche fehlen immer mehr Priester und pastorale Mitarbeiter. Mangel, wohin man schaut.

Reformen sollen den Mangel beseitigen. Die Prozesse haben zum Teil klangvolle, ermutigende Namen: „Wo Glauben Raum gewinnt“ heißt einer, von Kulturwandel und Erneuerung ist die Rede, von einer Kirche, die teilt und die Beziehung stiftet. Doch alle diese wohlklingenden Prozesse planen drastischen Kürzungen. Stellen werden reduziert, Gemeinden zusammengelegt, Leistungen gestrichen. Da geht es den Kirchen wie anderen Betrieben auch. Sie müssen halt sehen, wie sie zurecht kommen.

Ich kann mich damit nicht abfinden. Wenn die Kirchen auch keine anderen Antworten haben als in Not geratene Betriebe, wenn sie die gleichen Berater nehmen, die auch anderswo nur Streichungen vorschlagen, wenn die Kirchen ebenfalls vor allem kürzen und kleiner machen: Welches Beispiel wollen sie dann noch anderen geben? Sie stehen ja nicht nur für sich, sie sollen auch anderen ein ermutigendes Zeichen geben, gerade in der Krise.

Jesus hat seinen Jüngern nicht gesagt „Haltet den Laden zusammen, spart und knausert“. Er hat gesagt: „Gebt, dann wird auch euch gegeben. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.“ Da geht es um Fülle, nicht um Mangel. Um Hergeben, nicht um Sparen. Natürlich füllt das nicht das Kirchensteuerloch. Aber vielleicht sollten die Kirchen nicht nur auf den Geldmangel starren, sondern die Fülle an anderer Stelle erkennen. Ein Theologe schreibt etwa zum Priestermangel: Gott hält nicht nur nach unverheirateten Männern Ausschau, er hat gewiss auch die vielen anderen theologisch und spirituell kompetenten Frauen und Männer im Blick. Das Beispiel macht mir deutlich: Die Kirchen sollen nicht den Mangel verwalten, sondern den Blick wechseln - vom Mangel zur Fülle.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31324
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