SWR2 Wort zum Tag

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07JUL2020
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Klaus Sames ist über 80 Jahre alt und wohnt in Senden bei Ulm. Er ist so genannter „Kryoniker“. Das heißt, er möchte sich nach seinem Tod einfrieren lassen. Wenn alles wie geplant verläuft, wird er dann in den USA in einem Edelstahlbehälter liegen - in fast 200 Grad kaltem Stickstoff. Klaus Sames sagt: „Und zwar so lange, bis man mich wiederbelebt, in 100 oder 200 Jahren, wenn die Wissenschaft soweit ist, dass das möglich sein wird.“ 

Der erste Mensch, der sich einfrieren ließ, war James Bedford, das war vor fast 50 Jahren. Seinem Beispiel sind schon einige gefolgt. Mittlerweile gibt es fast 300 eingefrorene Leichname in den USA und Russland. Beim Einfrieren sind die ersten Sekunden nach dem Tod entscheidend. Der Körper muss so schnell wie möglich runtergekühlt werden. Dann wird das Blut durch Frostschutzmittel ersetzt. Und zuletzt wird der Körper zur Kühlung in einen Stickstofftank abgesenkt. 

Warum er das macht, wurde Klaus Sames gefragt. Er sagt: „Ich habe noch so viele Träume für ein zweites Leben. Wenn ich in eine Bibliothek gehe und sehe all diese Bücher, dann erschrecke ich, weil ich weiß, ich hab eine begrenzte Lebenszeit. Aber wenn ich wüsste, das geht unbegrenzt weiter…“ Und dann wird Klaus Sames nachdenklich und bekommt leuchtende Augen. 

Klar, das kann ich gut verstehen. Ich bekomme manchmal auch so eine Art Torschlusspanik, was ich noch alles erleben und erledigen müsste, bevor ich sterbe: Afrika besuchen zum Beispiel oder einen Roman schreiben, eine Übernachtungs-Tournee zu all meinen Freunden, bei einer Demo mitlaufen und mitschreien, auf einer fetten Bühne mit einer coolen Band Musik machen, eine Kneipentour durch Galway. Aber dann merke ich: wenn meine To Do Liste so voll ist, dann macht mir das ungeheuren Druck. Und es birgt die Gefahr, dass ich vor lauter Abhaken vergesse, im hier und jetzt zu leben, zu genießen, was ich habe. 

Schon immer hatten die Menschen Angst vor dem Tod, und ich habe das auch manchmal. Mir hilft dann mein Glaube. Ich hoffe darauf, dass ich irgendwann einmal erlöst bin. Erlöst von der Vorstellung, möglichst viel zu erleben, zu sehen oder alles selbst machen zu müssen. Auch erlöst davon krank zu sein oder Streit zu haben. Oder machtlos mit ansehen zu müssen, wie ungerecht die Welt ist, wie viele Menschen hungern, und wie sich manche Manager die Taschen voll stopfen. Mit einem Wort: erlöst von allem irdischen. Die Kryonik setzt aber aufs Gegenteil. Nicht auf Erlösung, sondern auf abwarten und auf bessere Zeiten warten. Aber das hat - zumindest in meinem Leben - noch nie funktioniert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31219
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