SWR2 Wort zum Tag

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04JUL2020
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Wer Bücher verlegt muss infiziert sein von diesem Virus. Nein, nicht von Sars-CoV 2. Wer Bücher verlegt, sollte ein bisschen infiziert sein vom Virus der Wahrheit. Ich finde es prima, dass es das gibt. Verlage mit Menschen, die Autor*innen ermutigen, Bücher zu schreiben, damit sie suchen, was wahr ist. Damit wir Leser und Liebhaber von Büchern, Wahrheit erlesen können, erstreiten und vielleicht erleben.

Einer der wichtigsten Verlage deutscher Sprache ist diese Woche 70 geworden. Der Suhrkamp Verlag. Ich fand besonders schön diese Suhrkamp Bibliothek in den Regenbogenfarben. Oft habe ich gedacht, eigentlich müsste man die Bibel auch in Regenbogenfarben herausgeben. Denn sie ist ja auch nicht nur ein Buch, sondern eine ganze Bibliothek.

Und es gibt noch ein paar Dinge, da sind Suhrkamp und die Bibel ein wenig ähnlich. Vielleicht steckt in diesem Verlag ja was von dem Geist, der auch die Bibel durchzieht. Da suchen Menschen nach wahrem Leben. In der Bibel heißt das Reich Gottes oder auch „Gott wohnt nah bei den Menschen“. Wenn das sein wird, dann endlich wird Leben wahrhaftig und richtig. Liebevoll und ohne Tränen. Bis dahin suchen wir und müssen um die Wahrheit streiten. Auch durch Bücher. Weil kein Mensch die Wahrheit besitzt. Und in dieser Haltung war der Suhrkamp Verlag, wie ich finde, oft vorbildlich.

Was gab es da für unterschiedliche Autor*innen: Bachmann, Handke. Habermas neben Sloterdijk. So verschiedene Wahrheitssucher- und -streiterinnen nebeneinander. Und der Verlag und seine Mitarbeiter*innen haben Streit um Wahrheit gefördert.

Auch wieder ein bisschen wie in der Bibel. Da gibt es eben 4 Evangelien, die die Geschichte Jesu erzählen und nicht nur eines. Und da sind Widersprüche nicht glatt gebügelt. Nur ein Beispiel:
Im Matthäusevangelium (Mt 12,30) sagt Jesus
"Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich", und
im Markusevangelium (Mk 9,40) sagt er dagegen:
"Wer nicht gegen uns ist, ist für uns."

Logisch ist das nicht und nicht widerspruchsfrei. Wenn man glaubt, Wahrheit muss logisch sein, dann kann nur ein Jesus recht haben. Der bei Matthäus oder bei Markus. Aber vielleicht ist das Leben ja nicht widerspruchsfrei oder man kann er-leben, dass einmal das eine Wort von Jesus wahr ist und in einer anderen Situation das andere. Und von solchen Lebenssituationen muss man erzählen.

In der Bibel und in Büchern wie bei Suhrkamp. Und vielleicht ist am Ende ja wahr, was Jesus auch gesagt hat. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Und das meint. Wahr ist, wie man lebt. Ob man einsteht für Menschen, wie Jesus.

 

Die Werke von Ingeborg Bachmann (1926-1973) wurden anfänglich nicht bei Suhrkamp verlegt.
Jedoch mit ihrem Roman "Malina", der Gesamtedition ihrer Werke und auch ihrem
Briefwechsel mit Paul Celan hat Suhrkamp die Autorin verlegerisch gewürdigt.
Der österreichische Autor Thomas Bernhard nannte sie
"die intelligenteste und bedeutendste Dichterin, die unser Land
hervorgebracht hat".

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31208
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