SWR2 Wort zum Tag

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03JUL2020
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„Wie kann man nur?“ Die zwei Kommentare auf unserer Homepage waren heftig. Eine Kollegin hatte im Radio erzählt, wie tröstlich das Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ für viele Christen ist. Dagegen haben die beiden Kommentare protestiert. Wie kann man sich einem Gott anvertrauen, dessen Walten Krisen zulässt, Leid und Böses?

Ich kann die Kommentare verstehen. Und halte trotzdem auch am Vertrauen zu Gott fest. Und ich glaube mit guten Gründen.

Wenn Sie ähnlich denken wie die beiden Kommentatoren, vielleicht können Sie dennoch die Gründe für den Glauben bedenken: Und unterstellen Sie, dass Menschen, die sich trotz allem Gott anvertrauen, dies auch mit Vernunft tun. Vielleicht einer des Herzens oder des Lebens?

Dietrich Bonhoeffer zB. verkörpert für mich solche Vernunft. Er hat gegen das böse Walten der Nazis Glauben gesetzt: „Ich glaube“, sagt Bonhoeffer, dass Gott aus allem, auch dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will.“

Da kann man einwenden. „Ja, da kann der Gläubige nur untätig warten.“ Aber das folgt bei Bonhoeffer nicht, wenn er sich Gott anvertraut. Vertrauen macht nicht untätig. Vertrauen ermächtigt zum Handeln.

Bonhoeffer fährt nämlich fort: „Dass Gott aus Bösem Gutes entstehen lassen kann, dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“ Bei Dietrich Bonhoeffer hieß das: Mut fassen und sich dem Widerstand gegen die Nazis anschließen. Das bedeutet Gott walten lassen. Hinnehmen was man nicht ändern kann und angehen, was man tun kann.

‚Ach ja Bonhoeffer‘, sagen Sie vielleicht. Geht es nicht ohne diesen evangelischen Heiligen?
Doch: ich habe eine Freundin, die ist da Vorbild für mich: sie ist durch eine lange Krankheit gegangen. Diese hat tiefe Spuren bei ihr hinterlassen. Aber es ist bewundernswert, wie sie sich dieses Schwere zum Besten dienen lässt.

Sie war vorher schon eine sensible Frau mit großen Herzen. Sie lernt, die Folgen der Krankheit anzunehmen. Das ist nicht leicht. Aber noch mehr gilt: sie ist noch aufmerksamer und sensibler geworden für Leid und Probleme von anderen. Sie vertraut sich dem Walten Gottes an. Und lässt sich und anderen ihre Krankheit zum Besten dienen.

Ich finde, das kann man sich zum Vorbild nehmen. Akzeptieren, dass diese Schöpfung und dass Menschen verletzbar sind. Und verletzen. Leid und Schmerz sind anscheinend Teil des Lebens, die wir annehmen müssen. Wenn es nicht anders geht. Und wir sollten tun, was wir nur können, um Leid mitzutragen und zu verhindern. Das bedeutet Gott walten zu lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31207
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