Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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02JUL2020
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Im Garten hinter unserm Haus haben wir vor paar Wochen Karotten ausgesät. Mittlerweile arbeiten sich tatsächlich kleine grüne Pflänzchen durch die Erde ans Tageslicht. Nur, das können unmöglich alles Karotten sein, die dort wachsen. Dank des feuchtwarmen Wetters macht sich nämlich jede Menge Grün in unserm Garten breit. Irgendwo dazwischen wohl auch die erhofften Karotten. Klar, ich könnte in den Garten gehen und all das Unkraut kurzerhand ausreißen. Aber so einfach ist es leider nicht. Denn als Laie kann ich das eine vom anderen kaum unterscheiden. Und darum müssten sicher etliche der kleinen Karottenpflanzen auch dran glauben. Also lasse ich es lieber.

Und befinde mich damit ganz nebenbei in bester christlicher Tradition. Denn die Erzählung vom Unkraut, dass mit der Saat gemeinsam aufgeht, ist für mich eine der zentralen Geschichten des Christentums. Ihre Pointe: Statt hektisch alles Unerwünschte auszureißen und Kollateralschäden billigend in Kauf zu nehmen - einfach alles wachsen lassen. Erst bei der Ernte wird sortiert in Gut und Schlecht. Auf den Glauben bezogen heißt das: Maß dir keine Urteile darüber an, wer ein schlechter und wer ein guter Mensch ist. Wer ein Sünder ist und wer ein Heiliger. Überlass dieses Urteil getrost Gott, dem „Herrn der Ernte“, wie die Bibel das ausdrückt. Auch wenn‘s schwerfällt. Denn ob einer schlecht oder gut ist, Sünder oder Engel, hat sich eben noch nie am äußeren Anschein festmachen lassen.

Das heißt ja nicht, dass ich nicht mit Menschen, die ganz anders ticken als ich darüber streiten sollte, was richtig und falsch ist. Wie wir viel nachhaltiger leben können etwa. Oder wie wir den ungleich verteilten Wohlstand im Land gerechter verteilen können. Nur das Urteil darüber, ob der, der so ganz anders tickt als ich ein guter oder schlechter Mensch ist, das sollte ich getrost Gott überlassen. Zugegeben, leicht fällt mir das nicht immer. Aber wenn es schon für das Grünzeug im Garten gilt, wie viel mehr dann erst für uns.

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