SWR2 Wort zum Tag

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27JUN2020
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Ich stehe an der Kasse im Supermarkt und bin mit einpacken beschäftigt. Aber der Mann hinter mir fällt mir sofort auf. Er trägt ein Jesus-T-Shirt. Der Jesus auf dem Hemd ist ganz typisch gezeichnet. Lange gelockte Haare und Bart. Aber ganz untypisch für normale Jesusbilder sind seine Augen. Die sind nämlich hinter einer coolen Sonnenbrille versteckt. Ein richtig moderner und lässiger Jesus also.

Erstmal habe ich darüber geschmunzelt, weil dieser Jesus so locker und selbstbewusst rüberkommen soll.

Aber irgendwie ist mir dieser Jesus auch fremd geblieben. Wenn ich mir vorstelle, dass mich Jesus wirklich so ganz direkt anschauen würde, dann wäre es mir sicher unangenehm, wenn er eine Sonnenbrille tragen würde. Denn die dunklen Gläser maskieren. Ich sehe die Augen hinter der Brille nicht mehr. Und die Begegnung zwischen Menschen lebt doch gerade vom direkten Blickkontakt. Wenn ich in die Augen eines anderen Menschen schaue, dann merke ich schnell, ob mir mein Gegenüber sympathisch ist und ob ich der Person vertrauen will. Am Blick kann ich leichter erkennen, was eine Person denkt oder fühlt. Mit einer Sonnenbrille geht das nicht.

Natürlich sind diese Sonnenbrillen aber auch praktisch. Sie schützen meine Augen und entspannen mich bei greller Sonne. Aber wenn ich mich unterhalte distanziert mich die dunkle Brille von meinem Gegenüber.

Ich bin überzeugt, dass gerade Jesus ein Meister darin war Menschen direkt in die Augen und in die Herzen zu schauen. Er hätte sich bestimmt nicht versteckt. Jesus ist da für mich ein Vorbild. Die Geschichten in der Bibel die von Jesus erzählen machen ja immer wieder deutlich, dass er die Menschen die ihm begegnen ernst genommen hat. Und das heißt, dass er den Blickkontakt sicher bewusst gesucht und gehalten hat.

Immer wieder erlebe ich, dass Menschen sich eben nicht wirklich anschauen, wenn sie miteinander reden. Die Augen schweifen umher, meiden den direkten Blick. Das geht mir auch oft so. Aber wenn es mir dann bewusst wird, suche ich wieder den Blickkontakt. Bis man sich gemeinsam anschaut kann es dauern. Ich finde es lohnt sich, weil ich mich durch meine Augen auf mein Gegenüber ausrichte.

Das Bild von Jesus mit Sonnenbrille hat mich wieder daran erinnert, mutig zu sein und die Person vor der ich stehe direkt anzusehen und wahrzunehmen.

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