SWR2 Wort zum Tag

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23JUN2020
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Ein bisschen Gänsehaut bekomme ich immer, wenn ich die Ausgrabungen unter St. Peter im Vatikan betrete: der alte römische Friedhof, ursprünglich ganz außerhalb der Stadt, und mitten darin das Grab des heiligen Petrus, tief im Erdboden und doch exakt unter der riesigen Kuppel. So wichtig war den Christen das punktgenaue Gedächtnis dieses Fischers vom See Genezaret in Palästina. Einer von den sog. einfachen Leuten macht eine Weltkarriere der besonderen Art.

Dieser Petrus gehört zusammen mit seinem Bruder Andreas eindeutig zu den Ersten, die in den Bann Jesu von Nazaret gerieten. Alles ließen sie liegen und stehen, um sich mit ihm auf den Weg zu machen: ein Abenteuer der Extraklasse. Welch ein Weg vom bäuerlichen Galiläa, damals Inbegriff des Provinziellen, nach Jerusalem hinauf, dem Ort der Hinrichtung Jesu und seines Heimgangs. Von dort aus wirkt Petrus als zweifellos leitende Gestalt, und schließlich führt ihn der Weg bis zum Martyrium in Rom. Noch beeindruckender als diese äußere Mobilität eines einfachen Fischers ist die innere. Immer ist dieser Petrus einer der ersten, wenn es um Jesus und sein Schicksal geht. Als sich der tödliche Konflikt mit den Behörden in Jerusalem abzeichnet, ist es Petrus, der sofort Einspruch erhebt. Er will leben, und sein Meister soll leben. Als es doch zum Prozess gegen Jesus kommt, will er sich feige von ihm absetzen, so groß und verständlich ist seine Angst vor den Folgen. Offenkundig sind es gerade diese Anfälle von Schwäche, die seine Autorität stärkten und ihn sympathisch machen. Jedenfalls zeichnen schon die Evangelien Petrus als einen leidenschaftlich treuen Jesusfreund: dreimal verleugnet er ihn, also abgründig tief; aber noch tiefer gehen Reue und Entschiedenheit in der Nachfolge und Jesusliebe.

Das Beeindruckendste an diesem Petrus malt der Evangelist Lukas aus. Petrus, von Hause aus überzeugter Jude, wehrt sich mit Händen und Füßen gegen Kontakt oder gar Gemeinschaft mit Nichtjuden, den sog. Heiden. Im Traum muss Gott selbst ihm beibringen, dass man keinen Menschen unrein nennen darf. (Apg 10f) Und das erst macht die ursprünglich innerjüdische Jesusgeschichte zur Weltbewegung. Petrus, der ungebildete Fischer und fromme Jude, vollzieht selbst die Wende hin zu den Anderen. Bisher waren sie ihm fremd und aller Ablehnung wert; jetzt kann er sich öffnen und weiten lassen. Diese lernfähige Petrus: Welch eine Gründergestalt auch für heute.

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