SWR4 Sonntagsgedanken

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21JUN2020
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Heute ist Sommeranfang. Der längste Tag des Jahres. Ich freu mich: auf lange Abende, auf Hitzefrei und große Ferien, auf Kirschen und Pfirsiche und – auf Weihnachten!

Ja, diese herrlichen Tage mit den kurzen Nächten sind ein guter Anlass, um auch jetzt schon mal wieder an die Heilige Nacht zu denken. Erstens, weil Weihnachten genau in einem halben Jahr gefeiert wird, wenn die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind. Und zweitens wegen Johannes. Johannes der Täufer. Der Mann, der Jesus angekündigt hat. In ein paar Tagen ist sein Geburtstag.

Johannes, so erzählt es die Bibel, war etwas älter als Jesus. Es war seine Aufgabe, auf Jesus hinzuweisen. Gott kommt, hat er gesagt, dann wird sich etwas verändern. Schon wie Johannes selbst zur Welt gekommen ist, zeigt mir, wie das ist, wenn Gott kommt. Da wächst und reift nämlich auf einmal etwas heran, womit kein Mensch gerechnet hätte. Die Bibel erzählt das so:

Für Elisabeth, seine Mutter, ist es ein ganz besonderes Wunder, dass sie und ihr Mann noch ein Kind bekommen. Sie sind doch eigentlich schon viel zu alt, um Eltern zu werden. Und eigentlich haben sie sich auch schon damit abgefunden. Aber dann wird die ältere Frau doch noch schwanger. Und als der kleine Junge gesund zur Welt kommt, staunen die Leute und freuen sich: So etwas, haben sie gedacht, da muss doch wohl Gott am Werk sein!

Ja, dass so etwas geschehen kann.
Ich staune da auch manchmal.
Fruchtbares Alter.
Junges Leben in einem alten Haushalt.
Wenn da nicht Gott am Werk ist.

Natürlich wachsen die Bäume irgendwann nicht mehr in den Himmel. Aber „Es ist alten Weibern nicht verboten, auf Bäume zu klettern.“ Hat Astrid Lindgren gesagt. Und ich merke an mir: Ich habe keine Lust, in meinen letzten Berufsjahren still auf den Ruhestand zu warten, ich möchte da schon noch etwas gestalten, mich zumindest nützlich machen. In den häuslichen Corona-Wochen habe ich tatsächlich noch das Skypen und Zoomen für mich entdeckt und finde das prima. Sommerzeit, auch wenns schon Richtung Herbst des Lebens geht, so kommt mir das vor. Auch die zweite Lebenshälfte kann eine ganz fruchtbare, lebendige, dynamische Zeit sein, wo es voran geht und wo ich etwas voranbringen kann. Anders als vor 30 Jahren, klar, ich muss mich gar nicht mit den Dreißigjährigen von heute vergleichen. Ich muss auch gar nicht versuchen, mit ihnen mitzuhalten und so zu sein wie sie. Ich möchte einfach darauf vertrauen, dass Gott bei mir etwas wachsen und reifen lässt, was mir und anderen gut tut. Daran erinnert mich Johannes, dieser Heilige des Hochsommers.

In seinem kratzigen Kamelhaarumhang hat Johannes in der Wüste gelebt, hat sich von Heuschrecken ernährt und hat den Leuten die Leviten gelesen.

Denkt dran, Leute! Gott wird kommen – und dann? Rechnet ihr überhaupt damit? Kalkuliert ihr das ein, wenn ihr eure Pläne schmiedet und eure Termine macht? Was wollt ihr? Dass möglichst schnell alles wieder so wird wie früher, wie vor der Krise? Fragen, die drängender sind als je und die auch mich zur Zeit beschäftigen.

Johannes erinnert mich daran, dass es durchaus gnädig sein kann, wenn man sieht und hört: So geht’s nicht weiter! Ich habe sogar den Eindruck, dass viele Menschen auf diese Veränderungen warten: Auch ich habe das ja in den letzten Wochen gesehen: Es geht auf einmal ganz viel, wenns nicht anders geht. Man muss nicht unbedingt fliegen, an der Ostsee ist es auch schön. Man muss nicht zu jedem Meeting durch halb Deutschland fahren. Vieles geht auch online – oder ist gar nicht nötig.

Ich glaube, wer kritisch in sich selbst hineinfragt, was er anders machen kann, der trägt wie Johannes auch dazu bei, dass Gott seinen Weg in diese Welt findet

Johannes erinnert mich daran, dass es durchaus gnädig sein kann, wenn man etwas von den Menschen fordert. Solidarität z.B.: „Wer zwei Hemden hat, der gebe eins weiter.“ Hat Johannes gesagt. Dann reichts für alle. Dann reichts vielleicht auch eher für die Betriebe und die Mitarbeiter, die jetzt so hart gebeutelt sind. Wahrscheinlich muss jetzt jeder seinen Beitrag leisten, damit die großen Einbußen in nächster Zeit zumindest etwas gelindert werden. Was ist mein Beitrag?

Johannes erinnert mich daran, dass gerade in Krisenzeiten das Leben nochmal eine ganz neue Tiefe und Intensität bekommen kann. Mit der Zeit ist der heißblütige Prediger dann sogar richtig gelassen geworden.

„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ So hat er schließlich für sich erkannt und auf Jesus gezeigt. Etwas wehmütig, aber gleichzeitig auch sehr zuversichtlich klingt diese Erkenntnis für mich. Es läuft doch alles auf ein gutes Ziel zu. Christus wird geboren, Gott kommt, er kommt zu mir. Wenn wir anfangen, uns zu ändern.

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Sommer und heute einen schönen Sonntag. Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31140
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