SWR3 Gedanken

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18JUN2020
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Ich eile nicht mehr von Sitzung zu Sitzung. Fahre nicht mehr im Zug quer durch die ganze Republik. Oder mit dem Auto quer durch die ganze Pfalz. Ich eile von Videokonferenz zu Videokonferenz. Dafür eile ich bestenfalls quer durch unser Haus. Und wenn das Badezimmer nicht mehr auf dem Weg liegt, ist es auch egal. Bei Zoom sieht ja niemand, ob ich meine Zähne geputzt habe.

Eigentlich super. Ohne auch nur einen Fuß vor die Haustür in die Welt zu setzen, kommt die Welt zu mir. Ein „Come together“ in briefmarkengroßen Bildern. Die Hand hebe ich virtuell, wenn ich etwas sagen will, gebe meinen Senf im Chat dazu. Und als Moderatorin kann ich mit einem Klick jeden Teilnehmer stumm schalten. In manch analoger Sitzung würde ich dafür etwas geben.

Eigentlich super. Aber eben nur eigentlich. Von technischen Schwierigkeiten abgesehen, wo alle Bilder einfrieren und Menschen wie Androiden stammeln, spüre ich, wie anstrengend das ist. Und auch irgendwie unbefriedigend. Als würde etwas Wichtiges fehlen. Und das tut es ja auch. Das kleine Seitengespräch, die Begegnung in der Brezelpause, das ganze Zwischendrin und Drumherum. Der persönliche Kontakt halt.

Und so lerne ich aus dem Corona-Shutdown, dass digitale Begegnung schon viel für sich hat. Gut fürs Klima, schnell zu organisieren, deutlich besser als gar keine Begegnung. Aber ein echtes „Come together“ mit echten Menschen lässt sich nicht ersetzen. Dafür setze ich mich dann auch gerne wieder in einen Zug, putze mir rechtzeitig die Zähne und schalte redselige Teilnehmer nur im Geiste auf stumm.

Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir wieder so richtig im „Echte-Menschen-Modus“ sind. Aber wenn es so ist, weiß ich hoffentlich ganz neu zu schätzen, wie wertvoll und unverzichtbar die gute alte analoge dreidimensionale Begegnung ist.

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