SWR3 Gedanken

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17JUN2020
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Die Kirche hat nichts zu sagen. Habe ich ziemlich oft gehört in diesen Tagen. Ein Virus stellt die Welt auf den Kopf, bringt Menschen um Leben und Existenz, stellt all unsere Sicherheiten auf den Kopf. Und die Kirche hat nichts zu sagen. Dabei haben doch so viele etwas zu sagen. Und jeder sagt etwas anderes. Da soll sich noch einer auskennen. Die Kirche müsste sich doch auskennen. Die müsste doch Antworten haben auf die vielen Fragen dieser Tage.

Manche haben ja auch Antworten. Fabulieren munter drauflos und vermuten, dass Gott nicht mehr mit Wasser, sondern mit Viren arbeitet. In der Bibel straft Gott die Menschheit mit der Sintflut, heute ist es Corona. Du lieber Himmel. Das ist keine Antwort, das ist gefährlicher Unfug. Der meine religiösen Gefühle kränkt. Ich glaube nicht an einen schwarzen Pädagogen im Himmel. Ich glaube an einen Gott, der die Menschen liebt.

Wenn Gott die Menschen liebt, warum stapeln sich dann weltweit die Leichensäcke? Was sagt die Kirche dazu? Was sage ich dazu? In vielen Momenten sage ich gar nichts. Weil so viel Leid sprachlos macht. Und in der Sprachlosigkeit sind wir einander näher als mit Antworten, die keine sind. In der Sprachlosigkeit bin ich Gott näher als mit Antworten, die nicht seine sind.

Leid miteinander auszuhalten, ist eine Antwort. Und definitiv keine schlechte. Jedenfalls besser als so zu tun, als hätte man Antworten, die einfach keiner hat.

So gesehen hat Kirche in der Tat nichts zu sagen. Jedenfalls nicht im Sinne einer für alle einleuchtenden Erklärung für eine Pandemie, bei der keine Fragen offen bleiben. In diesem Sinne hat Kirche nichts zu sagen, aber sie hat etwas zu tun. Sie hat bei denen zu sein, die leiden. Bei denen, die Angst haben. Bei denen, die einsam sind. Bei denen, die Hilfe brauchen. Und wenn sie das tut, sagt sie eine Menge. Finde ich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31106
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