SWR2 Wort zum Tag

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13JUN2020
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„Alles wird gut.“ Das lese ich jetzt gerade immer wieder. Der Satz steht auf großen Fahnen, die aus Fenstern baumeln, Kinder haben ihn auf Bilder mit Regenbögen geschrieben, im Schaufenster entdecke ich ihn auf einem Plakat neben Kaffeetassen und Küchenmaschinen. Der Satz soll Hoffnung schenken. Er soll das Vertrauen stärken, dass alles gut wird, egal wie anstrengend, nervend oder bedrohlich die aktuelle Situation gerade ist. Menschen wollen sich und anderen in dieser schwierigen Zeit Mut machen. Das finde ich schön, das will ich auch. Aber mal ehrlich, der Satz verspricht zu viel. Er stimmt einfach nicht. Es wird nicht für alle alles gut werden.

Ich denke dabei an diejenigen, die eine geliebten Menschen verloren haben und sich vielleicht noch nicht einmal richtig verabschieden konnten. Oder an Menschen, deren berufliche Existenz durch diese Krise zerstört wird. Denen plötzlich das genommen wird, was sie sich über Jahre mühevoll aufgebaut haben.

Ich wollte diesen Satz an ihrer Stelle nicht hören: „Alles wird gut.“ So nett er gemeint sein mag, wenn es mir richtig dreckig geht, dann nervt er mich, weil ich mich dann nicht ernst genommen fühle. Mir hilft es mehr, wenn andere verstehen, dass für mich eben nicht alles gut ist und auch nicht alles wieder gut wird. Nach und nach erschließen sich dann hoffentlich neue Perspektiven, auch wenn ich verkraften muss, dass jemand oder etwas Wichtiges fehlt.

Vom ehemaligen tschechischen Präsidenten und Dichter Vaclav Havel stammt der Satz „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“ Ein ganz schön anspruchsvoller Satz. Vor allem, wenn ich jemanden verloren habe oder etwas wofür und wovon ich gelebt habe, so nicht weitergeht.

Ich verstehe den Satz so: Es gibt vieles, was wir tun können, was Sinn ergibt und Hoffnung schenkt, unabhängig davon, ob am Ende alles gut wird. Wenn ich Menschen in ihrer Trauer nicht alleine lasse, kann es ihnen Zuversicht geben, auch wenn der Verlust dadurch nicht weniger weh tut. Wenn ich erlebe, dass andere mich in einer schwierigen Lage unterstützen, gemeinsam mit mir nach Lösungen und Wegen suchen, dann ist das wertvoll, auch wenn ich am Ende vielleicht trotzdem scheitere.

Ich weiß, dass in dieser Welt nicht alles gut wird. Aber ich hoffe, dass trotzdem ganz am Ende jedes Leben sinnvoll war, egal, was darin passiert oder eben auch nicht passiert ist, egal wie es geendet hat. Ich will es hoffen, auch wenn manchmal vieles scheinbar dagegen spricht.

Immer wieder ringe ich um diese Hoffnung. Sie soll mich nicht billig trösten und vor allem nicht davon abhalten, jetzt und hier, das zu tun, was Sinn macht, egal wie es ausgeht.

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