SWR2 Wort zum Tag

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09JUN2020
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Die Perspektive wechseln kann richtig gut tun. Hören Sie mal:

Bäume sind Büsche auf Balken.

Schrauben sind Nägel mit Falten.

Beine sind Arme zum Laufen.

Mauern sind sehr gerade Haufen. 

Das ist nur ein Teil des Textes vom Wort-Akrobat und Poetry Slammer „Sebastian 23“. Als ich ihn das erste Mal gehört habe musste ich wirklich lachen. Und gleichzeitig  hat´s bei mir „Klick“ gemacht: Ja, so kann man es auch sehen. Wie gut es manchmal tut, die Perspektive zu wechseln, anders auf Dinge zu schauen als normal. 

„Sebastian 23“ stammt aus Bochum und hat Philosophie in Freiburg studiert. Dabei hat er sich mit der Struktur des Denkens beschäftigt. Ich finde, das merkt man seinem Gedicht absolut an. Es regt mich dazu an, aus meinen eingefahrenen Denkstrukturen auszubrechen. Die Dinge mal auf den Kopf zu stellen und anders zu denken. So wie in dem Gedicht: 

Sekunden sind Stunden, die rennen.

Eier sind werdende Hennen.

Schränke sind Häuser für Sachen,

Und Weinen ist trauriges Lachen. 

Ich wünsche mir, dass mir das oft gelingt: die Perspektive zu wechseln, anders zu denken als sonst immer. Das kann dabei helfen, Dinge nicht zu schwer zu nehmen, das was passiert richtig einzuordnen, Probleme nicht übermächtig werden zu lassen. 

Ich erinnere mich an einen Mitbewohner in meiner WG. Der war so direkt, dass es oft verletzend war. Jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er heute Morgen aber richtig mies aussieht, war nur eine seiner leichteren Übungen. Er hat gerne offen kritisiert, wenn jemand im Haus seinen Dienst vernachlässigt hat: „Ey Hanno, du hast mal wieder die Spüle nicht freigeräumt. Macht man das so bei euch zuhause?“

Eine Freundin hat mir den Tipp gegeben, die Sache anders zu sehen. Sie hat gesagt: „Schau dir doch einfach das von ihm ab, was du nicht so gut kannst – den Rest vergiss einfach.“ Ich habe mir daraufhin von ihm abgeguckt, keine Scheu davor zu haben, Probleme offen anzusprechen. 

Ich habe die Perspektive gewechselt, und schon ist aus dem vorlauten Mitbewohner ein kleines Vorbild geworden. Der Perspektivwechsel kann dabei helfen, mit Humor durchs Leben zu gehen, Dinge leichter zu nehmen, etwas gelassener mit mir und meinen Aufgaben umzugehen. Mir tut das in den meisten Fällen gut. 

Und vielleicht fällt mir dann auch mal so was Geniales ein wie ein Buchtitel von „Sebastian 23“. Der heißt nämlich: Hinfallen ist wie Anlehnen – nur später.

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