SWR2 Wort zum Tag

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Fastenzeit - Zeit für Buße, Zeit sich zu versöhnen, wenn es geht. Leider haben viele Menschen nicht ganz so gute Erfahrungen mit der kirchlichen Bußpraxis früherer Jahre gemacht und so ist eine Bußzeit nicht besonders attraktiv. Doch der eigentliche Sinn ist ja die Versöhnung, und das erleben die meisten Menschen doch wohl als etwas sehr schönes. So beschreibt es auch eine Geschichte: Ein junger Mann sitzt im Zug und ist sehr nervös. Irgendwann erzählt er dann seinem Mitreisenden den Grund dafür: Er war in Haft und ist jetzt auf dem Weg nach Hause zu seinen Eltern. Die konnten es damals nicht fassen, dass ihr Sohn straffällig geworden ist, sie haben ihn nicht besucht und nur selten eine Karte geschickt. Aber er hofft doch, dass sie ihm verzeihen. Deshalb hat er sie in einem Brief gebeten, ihm ein Zeichen zu geben. Sie sollten in einem bestimmten Baum an der Bahnstrecke ein gelbes Band anbringen, wenn sie ihm verziehen hätten. Wenn nicht, dann würde er nicht zu ihnen kommen, sondern weiterfahren. Als sie sich der Heimatstadt des jungen Mannes nähern, hält er es nicht mehr aus. Der andere Mann im Abteil wechselt den Platz mit ihm und hält Ausschau nach dem Baum. Und da taucht er auf, und er ist über und über mit gelben Bändern behängt. Versöhnung kann wunderbar sein. Dass mir jemand vergibt, ist eben nicht selbstverständlich. Wenn ich diese schöne Seite von Versöhnung im Blick habe, dann kann ich auch leichter dafür arbeiten. Mühevolle Gespräche führe ich, weil ich eine Beziehung wieder in Ordnung bringen will. Dabei muss ich meine Fehler einsehen und bereuen, Unrecht muss wieder gutgemacht werden. Der junge Mann in der Geschichte hat für seine Tat eine Haftstrafe abgesessen, er sieht seine Fehler ein, auch gegenüber seinen Eltern. Außerdem ist einige Zeit vergangen, manchmal hilft das ja beim Versöhnen. Dennoch: leicht wird die Ankunft bei den Eltern immer noch nicht sein. Und trotz des Glückes, das der junge Mann verspürt, wird noch so manches zu klären sein.
Wenn ich meine Beziehung zu Gott in Ordnung bringen will, dann brauche ich zunächst Zeit dafür, am besten regelmäßig, damit ich überhaupt mit ihm ins Gespräch komme. Und dann müssten die Dinge auf den Tisch, die zwischen mir und Gott stören. Bestimmt ist das nicht nur eine einseitige Geschichte: Ich werde Gott einiges vorzuwerfen haben, aber auch bei mir dürfte einiges zu benennen sein. Leider misslingt die Versöhnung unter uns Menschen immer wieder, obwohl wir uns redlich darum bemühen. Bei Gott soll es anders sein, so wie Jesus ihn schildert. Er ist wie ein Hirte, der nach dem Verlorenen Schaf sucht. Wie ein barmherziger Vater läuft er uns entgegen und schließt uns in seine Arme.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3099
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