SWR2 Wort zum Tag

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30MAI2020
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Verurteilt hatten die Kirchenmänner sie als Hexe und Ketzerin, wegen Gotteslästerung und falscher Weissagung,  und weil sie – wie anstößig aber auch! – Männerkleidung getragen hatte. Wenigstens letzteres war ja auch beweisbar. Aber doch eigentlich zu wenig,  Johanna von Orleans dafür auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen.

Immerhin hatte die junge Frau entscheidend geholfen,  das besetzte Frankreich weiträumig von den Engländern zu befreien. Karl der Siebente war überhaupt nur mit ihrer Hilfe gekrönt worden. Johanna hatte „Stimmen“ gehört und sich berufen gefühlt, ein gutes Leben zu führen und Gott zu gehorchen. Und eben Frankreich zu retten.  Es mit Gewalt und Krieg zu retten; klingt heute falsch –  aber so dachten manche wohl im späten Mittelalter.

Es half alles nicht; war vielmehr Grund genug, sie zu foltern und zu verurteilen und eben hinzurichten. Das war einfach politisch erwünscht; und die Kirche hat mitgespielt. Jeanne d’Arc verbrannte an einem 30. Mai in Rouen –  ihre Asche streuten sie in die Seine.

Weniger als zwanzig Jahre hat es dann gedauert, bis das Urteil in Frage gestellt und schließlich aufgehoben wurde. Wieder, weil die herrschenden Kreise das so brauchten. Vor hundert Jahren, im Mai 1920 hat Papst Benedikt der fünfzehnte  die Jungfrau von Orleans schließlich heiliggesprochen.

Das ist beachtlich – und ich vermute, auch mit der Heiligsprechung  hat die Kirche sich wohl auch wieder an Politik und Gesellschaft orientiert oder sogar angepasst. Inzwischen verehrte fast ganz Frankreich die Jungfrau von Orleans; sie galt als humanistisches Vorbild und Kämpferin für Recht und Freiheit, viele Dichter und Komponisten hatten ihr Stücke und Opern gewidmet. Schließlich brauchte „das katholische Frankreich“ eine Leitfigur bei seiner Auseinandersetzung mit der staatlichen „la?cité“. Beachtlich finde ich es aber vor allem auch,  weil Johanna eine spezielle Märtyrerin ist: die Kirche und ihre Leute selbst hatten sie zu Tode gebracht, hatten auf kirchliche Verhältnisse und politische Erwartungen gehört –  statt sich darauf einzulassen,  dass vielleicht ja doch Gott und die Heiligen  die junge Frau geleitet haben könnten.

Lange hat es gedauert – zu lange. Heute wäre wohl zu hoffen und zu erwarten,  dass die Christenheit besser auf die Zeichen der Zeit achtet und Gottes Anruf darin schneller hört und erkennt. Der ruft sie und mich zu mehr Frieden, Gerechtigkeit  und Bewahrung der Schöpfung –  egal, ob das politisch und kirchlich jetzt gerade passt …

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30986
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