SWR2 Wort zum Tag

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Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Die Masken und Kostüme, die Pappnasen und das Konfetti werden weggeräumt. Und die Fastenzeit kommt eher grau daher. Klar, es geht ja auch um Buße in dieser Zeit. Trotzdem: Ich hole gerade jetzt gerne meine Clownnase hervor. Nicht um mich als Clown zu verkleiden, sondern um wieder mehr Clown zu sein. Als Clown bin ich ja nicht automatisch lustig und heiter. Als Clown kann ich traurig sein, mich ärgern, neugierig sein und staunen. Ich setze nicht eine Maske auf, um unerkannt über die Stränge schlagen zu können. Ich setze eine Nase auf, fühle mich als Clown und fühle dann auch wie ein Clown. Wenn ich traurig bin, dann bin ich abgrundtief traurig. Wenn ich wütend bin, dann richtig. Als ich in einem Seminar Clown geworden bin, war die erste Regel: „Sei nicht komisch, sei intensiv!“ Da steckt auch eine Botschaft für das ganz normale Leben drin. Und das will ich jetzt in der Fastenzeit mal ausprobieren. Der Clown in mir würde sagen: „In dieser Fastenzeit verzichte ich mal auf – das Fasten.“ Ich werde mir nicht wie sonst vornehmen, auf Alkohol und Süßigkeiten zu verzichten. Im Gegenteil: ich werde beides hin und wieder genießen, und zwar so wie es ein Clown auch tun würde: Hingebungsvoll. Damit ich diese Genussmittel aber tatsächlich genießen kann, müssen sie etwas weniger alltäglich werden. Sie sollen etwas Besonderes sein. Und noch etwas anderes möchte ich in der nächsten Zeit mit allen Sinnen genießen: den Frühling um mich herum. Ein Clown erlebt voller Staunen, wie alles sprießt, Triebe und Knospen hervorbringt. Er lässt sich wahrscheinlich anstecken von fröhlichem Vogelgezwitscher und von der allgegenwärtigen Aufbruchstimmung. Bei mir gehen diese Frühlingsgefühle nur sehr häufig im Alltagsgetümmel unter. In diesem Jahr sollen meine Sinne dafür aber wach bleiben. Ich werde versuchen, die Fastenzeit zu einer Intensivzeit zu machen. Die Clownnase kommt in die Hosentasche, damit sie mich immer wieder daran erinnert.
Zugegeben, dass ist nicht der ganze christliche Inhalt der Fastenzeit, der hat ja auch viel mit Umkehr zu Gott zu tun. Aber ich bin überzeugt davon, dass mir mein geplantes intensiveres Leben die Sinne schärfen kann. Wahrscheinlich bin ich dann aufmerksamer, und zwar für das, was um mich herum passiert, wie für das, was mir mein Körper signalisiert. Aufmerksam und intensiv leben - das ist ein wichtiger Schritt, um mit Gott in Kontakt zu kommen. Der Clown in mir jedenfalls möchte das ausprobieren.


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