Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein ausländischer Handy-Hersteller kündigt die Schließung eines Werkes in Deutschland und die Verlagerung der Produktion nach Ost-Europa an. Tausende Arbeitsplätze gehen verloren, obwohl das Werk in der Vergangenheit mit Millionensubventionen staatlich un-terstützt wurde. Belegschaft und Politik finden sich deshalb in gemeinsamer Empörung vor dem Werkstor ein und protestieren gegen die bevorstehende Schließung. Von Ver-antwortungslosigkeit und Subventionsheuschrecken ist die Rede.
Die Bestürzung der Mitarbeiter ist ebenso verständlich wie die Verärgerung der Politiker. Dennoch wundert mich, dass sich so viele wundern über das Verhalten des Konzerns. Als Politiker die Firma mit Subventionen und Infrastruktur nach Deutschland lockten, galt dies als kluge Standortpolitik. Jetzt macht ein osteuropäisches Land Ähnliches - und nie-mand kann es verstehen. Dabei verhält sich das Unternehmen in beiden Fällen völlig marktgerecht und bevorzugt jeweils den Standort, der ihm die günstigsten Bedingungen bietet.
Das eigentliche Problem liegt vermutlich tiefer. Es drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass die gewinnorientierte Firmenpolitik genau der Konsumhaltung entspricht, die um jeden Preis dem billigsten Produkt nachjagt. Hand aufs Herz: Achten Sie denn beim Ein-kauf auf mehr als Preis und Qualität, haben Sie Arbeitsplätze und Mitarbeitersorgen vor Augen, wenn Sie nach dem preiswertesten Produkt suchen? Und warum sollten in einer Marktwirtschaft Firmen etwas tun, was der Kunde nicht belohnt?
Es geht auch anders. Das erleben wir im Moment ansatzweise bei Bioprodukten und beim fairen Handel. Viele Menschen sind mehr und mehr bereit, für gute Lebensmittel und gerechte Preise tiefer in die eigene Tasche zu greifen. Aber im Alltag sehen wir meist nur den Betrag auf dem Preisschild und fragen uns nicht, wie er zustande kommt.
Billig einzukaufen ist eine Versuchung, und in Zeiten von Hartz IV für viele auch eine Notwendigkeit. Da wundert es nicht, wenn Firmen ihr Angebot entsprechend einrichten. Wenn sie den Preis mit allen Mitteln drücken und Standorte wechseln, nur um im Wett-bewerb Marktanteile zu vergrößern und Gewinne zu steigern. Wer das ändern will, darf sich nicht auf die Kritik überhöhter Unternehmensgewinne beschränken, er muss auch sein eigenes Konsumverhalten überprüfen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3093
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