SWR4 Abendgedanken

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20MAI2020
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Mein Kollege arbeitet als Seelsorger in einer Klinik. Dort gilt im Moment noch immer ein Besuchsverbot, auch wenn es nun einzelne Ausnahmen gibt. Mit diesem Verbot habe sich seine Arbeit ziemlich verändert, hat mein Kollege erzählt: Er sei nun immer wieder Postbote, Überbringer von Briefen und anderen Grüßen. Auf der Palliativstation sterben Menschen, wie sonst auch. Hier habe die Klinik zum Glück die ganze Zeit Ausnahmen vom Besuchsverbot gemacht. Damit niemand allein sterben muss. Als Seelsorger hat er gerade viel mehr mit den Angehörigen der Patienten zu tun. Immer wieder musste er sie trösten, weil sie sich Sorgen machen, wie es wohl der Oma, dem Ehemann oder der Tochter „da drinnen“ geht. Dann versucht er, Vertrauen zu schaffen. Erklärt, dass die Leute, die in der Klinik arbeiten, ja auch Menschen sind. Dass sie sich nach Kräften kümmern und um die Kranken bemühen.

Mich haben in diesem Bericht zwei Dinge berührt. Zum einen bin ich froh, dass niemand allein sterben muss. Die Menschen dürfen sich trotz Corona verabschieden, das liebevolle Lächeln eines vertrauten Menschen sehen, sein gutes Wort hören. Ich bin dankbar, dass sich die Klinik dafür eingesetzt hat.

Zum anderen hat mich berührt, was mein Kollege über das Vertrauen gesagt hat: „In der Klinik arbeiten ja auch Menschen“. Es ist sicher schwer, darauf zu vertrauen, dass ein geliebter Mensch schon gut versorgt sein wird. Wie soll ich denn auch sicher gehen, dass er die Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommt, die er braucht? Da tun die Worte des Seelsorgers, der die Mitarbeiter in der Klinik ja kennt, gewiss gut.

Vertrauen. Ich merke: Das ist eine Kunst, die wir in dieser Krisensituation plötzlich ganz neu brauchen. Vertrauen in ganz fremde Menschen. Einfach, weil uns nichts anderes übrigbleibt.

Zu Beginn der Zeit des Lock-Downs habe ich ein Bibelwort gehört. Mir hat es geholfen, das Vertrauen in unsere Welt und ihre Menschen nicht zu verlieren. Ich möchte es Ihnen heute Abend weitergeben. Es lautet: Gott hat uns nicht gegeben einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit (2.Timotheus 2,17).

Kommen Sie gut durch diese schwierigen Zeiten!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30921
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