SWR2 Wort zum Tag

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15MAI2020
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„Solange die Probleme der Armen nicht von der Wurzel her gelöst werden, indem man auf die absolute Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation verzichtet, werden sich die Probleme der Welt nicht lösen“. So schreibt Papst Franziskus in seiner 2013 erschienen Enzyklika Evangelii Gaudium. Sehr deutlich, direkt und scharf verurteilt er ein Wirtschafts- und Finanzsystem, das nur auf darauf angelegt ist, Geld und Profit zu vermehren. An einer Stelle sagt er es besonders drastisch: „Diese Wirtschaft tötet.“

Diese Worte des Papstes klangen mir im Ohr als ich nun Entwicklungsminister Gerd Müller in der augenblicklichen Corona-Krise hörte: Er spricht davon, dass wir uns von den schädlichen Spielregeln trennen müssen, die unser weltweites Wirtschaften bestimmen. "Der Immer-Weiter-Schneller-Mehr-Kapitalismus der letzten 30 Jahre muss aufhören". Er bezeichnete die Krise als einen Weckruf an die Menschheit, mit Natur und Umwelt anders umzugehen und auf keinen Fall einfach nachher wieder „zur Normalität der Globalisierung zurückkehren."

Wenn wir erst diese Krise brauchten, um uns der unhaltbaren Zustände in deutschen Schlachthöfen bewusst zu werden, dann möchte ich es halten wie der Bonner Philosoph Markus Gabriel, der das moralisch Verwerfliche beim Namen nennt: Es ist „das Böse“ – eine Kategorie, die mir als Theologen vertraut ist, die ich aber in der wirtschaftlichen Diskussion selten gehört habe. Ein für das bloße Auge unsichtbares Virus hat die moralischen Schwächen in einer Weltordnung sichtbar gemacht, die viele Auswüchse erlaubt hat und die verwerflich sind. Aus der Krise kann nur dann eine Chance werden, wenn wir nicht danach wieder in die gleichen Gleise geraten, an die wir uns gewöhnt hatten, obwohl wir wussten oder zumindest ahnten, dass sie zum Abgrund führen. Dass wir nachhaltiger zusammenleben und wirtschaften müssen, wissen wir ja schon lange, aber das Argument war eben bisher immer: Wir können uns zu hohe moralische Ansprüche nicht leisten, sonst ist die Wirtschaft gefährdet und das Wachstum gerät ins Stocken. Das Coronavirus hat diese Logik einfach umgeworfen und gezeigt, dass wir uns wirtschaftlich noch viel mehr beschränken können, um das Gute zu tun, um Menschenleben zu retten. Diese Logik muss die Zeit nach Corona bestimmen und „wieder hochfahren“ muss etwas ganz anderes bedeuten als zurück zum Gewohnten. Um es noch einmal mit dem erwähnten Philosophen zu sagen: „Wir können nicht zur Selbstausrottung der Menschheit zurückkehren!“

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