SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

13MAI2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Hat eigentlich Gott Corona auf die Welt geschickt?“ Genau diese Frage schickt mir Emilie als Sprachnachricht auf mein Handy.

Emilie ist sechs Jahre jung, neugierig, schlau und hinterfragt deshalb auch gerne die Welt und vor allem Gott. Emilie hat erst vor Kurzem die Geschichte von Noah und seiner Arche kennengelernt. In der geht es ja darum, dass Gott die Flut schickt, weil die Menschen sich daneben benehmen. Und weil Emilie recht schlau ist, weiß sie ganz genau, dass sich auch heute noch viele Menschen oft daneben benehmen. Daher hat sie sich gedacht: Kann es sein, dass Gott auch diesmal diesen Virus geschickt hat?

Puh, ganz schön direkt, diese Frage. Mir ist klar: Die Menschen, die damals die Geschichte von der Arche Noah weitergegeben haben, konnten sich noch nicht die Naturphänomene mit Hilfe der Wissenschaften erklären. Heute wissen wir: Naturkatastrophen wie Fluten oder Pandemien sind Teil dieser Welt. Und Teil dessen, wie wir unsere Welt mit dem beeinflussen, was wir tun. Daher antworte ich Emilie, dass ich nicht glaube, dass Gott diesen Virus extra geschickt hat. Dieser Virus ist genau wie die Sintflut ein Phänomen der Natur und das kann bestimmt eine Biologin oder Ärztin viel besser erklären als ich. Und trotzdem bleibt die Frage offen: Wenn denn Gott diesen Virus nicht geschickt hat, warum hat er das denn nicht wenigstens verhindert. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ich glaube an etwas, was Noah damals erlebt haben muss: Dass Gott ständig da war für ihn. Dass er da war, als die Flut über die Welt kam; dass er da war, als die Flut alles zerstörte, was Noah bisher kannte; und dass er da war, als das Horrorszenario zu Ende ging; Gott hat Noah versprochen, dass der Bund zwischen den Menschen und Gott für immer gilt. Auch noch heute, für uns. Und auch für Emilie.

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir resignieren dürfen, uns nach hinten lehnen können – nach dem Motto: „Gott regelt es schon und fährt unsere Arche durch diese Zeit“. Nein, die harte Realität bleibt natürlich: Diese Krise ist für jede*n von uns eine reale Krise. Aber ich traue Gott zu, dass er auch hier und heute für uns da ist. Dass er uns in all dem Abstandhalten ganz nah ist; dass er unsere Sorgen wahrnimmt in dieser krassen Zeit; und er auch für uns da ist in dieser Unsicherheit, wie es denn nun weitergehen wird.

Emilie ist neugierig und schlau, deshalb versucht sie das Beste aus der Zeit zu machen. Aber ihr macht das alles auch zu schaffen. Ich bin froh, dass dann ihre Eltern für sie da sind und sie in den Arm nehmen. Und ich hoffe, für den Rest Traurigkeit und Unsicherheit, der da in ihr schlummert, hält Gott sein Versprechen und ist für sie da.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30898
weiterlesen...