SWR2 Wort zum Tag

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11MAI2020
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Das Monatsheft meiner Krankenkasse gehört nicht zu meiner Stammlektüre. Beim Durchblättern ist mir aber eineAnzeige aufgefallen: Für Yogakurse, die die Kasse bezahlt. Dann hab ich genauer gelesen. Angeboten wird: seine Balance durch Meditation zu finden; sich innerlich zu zentrieren; und: sich mit dem Allganzen des Universums zu verbinden.

Spannend! Da geht es doch um nichts anderes als meine religiösen Sehnsüchte. Um die Suche des Menschen nach dem Göttlichen. 

Die Kirchen sind nicht mehr so einflussreich wie früher. Das ist, denke ich, ganz gut so. Andererseits ist Gott dadurch, so habe ich das Gefühl, auch kein so selbstverständlicher Teil des Lebens mehr, wie er es schon mal gewesen ist. Und offenbar gibt es da seit Längerem eine Lücke. Und viele Menschen versuchen diese Lücke zu füllen. Weil sie eben mehr vom Leben wollen. 

Heute wird außerhalb der Kirchen ganz viel angeboten, was mit dem Sinn des Lebens, mit Spiritualität zu tun hat. Dabei werden die Kirchen ein Anbieter unter vielen. Das ist in Ordnung. 

Aber die Krankenkasse? Hat das Christentum denn so wenig zu sagen, dass die Krankenkasse seine Aufgabe übernehmen kann? Bei dieser Vorstellung ist mir ein bisschen mulmig geworden. 

Und ich habe mich gefragt, was mir denn mein Glaube an Gott bedeutet. Es ist nicht so, dass ich immer ein treuer Kirchgänger gewesen bin. Ich habe viel gesucht, auch viel ausprobiert. Hab die Sache mit dem Glauben mal strenger, mal lockerer gesehen. Mir sind ganz viele tolle Dinge begegnet. Andere Religionen oder Philosophien müssen sich nicht verstecken.

Ich kann also jeden verstehen, der mit der Kirche nichts anfangen kann und woanders sein Heil sucht. Aber ich bin doch immer wieder bei der Kirche und bei Jesus gelandet. 

Nicht weil mir ein Leben nach dem Tod oder ein Paradies versprochen wird. Sondern wegen der Menschwerdung. 

Weil dieser Gott Mensch geworden ist, weiß er wie sich Menschsein anfühlt. Das finde ich toll. Das tut mir gut. Er weiß wie es ist  Angst zu haben, sich zu freuen, wütend zu sein, zu hassen, sich zu ekeln, zu trauern. Er kennt meine Schwächen und Gelüste, er hat das alles selber mitgemacht. Ich muss ihm nichts groß erklären. Er kennt das alles. Er weiß wie wir Menschen funktionieren. Er kann das einschätzen. Er ist kein entrücktes Wesen. Ich kann mich ihm zeigen und er behandelt mich mit Respekt. Und deshalb, finde ich, ist es lohnenswert, sich immer wieder auf ihn einzulassen. Auch wenn es die Krankenkasse nicht bezahlt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30870
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