SWR2 Wort zum Tag

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12MAI2020
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Am 10. Mai 1933 hat die sogenannte “Deutsche Studentenschaft” Bücher verbrannt. Undeutsches Schrifttum. Also alles, was in ihren Augen nicht nationalistisch genug war. An diesem Tag war der Schriftsteller Oskar Maria Graf gerade in Wien. Auf einer Lesereise. Als er erfahren hat, dass seine Bücher auf der „Weißen Liste“ standen, und deshalb nicht verbrannt worden sind, war er empört. 

Dort waren nämlich Autoren aufgeführt, die die Nationalsozialisten für unbedenklich hielten. Also hat er am 12. Mai seinen Protest in der Wiener Arbeiterzeitung veröffentlicht. Unter der Überschrift „Verbrennt mich!“ schrieb er unter anderem: Nach meinem ganzen Leben und meinem ganzen Schreiben, habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen.

Wenn die Nazis also in Zukunft bestimmen sollten, welche Bücher lesenswert oder wertvoll sein sollen und welche nicht, dann wollte Oskar Maria Graf lieber nicht gelesen werden. Dann wollte er lieber, dass man seine Bücher verbrennt. - Ich habe das immer bewundert. 

Mir ist diese Geschichte wieder eingefallen, als letztes Jahr von sogenannten Todes- oder Feindeslisten die Rede war. In rechtsradikalen Kreisen kursieren Listen, auf denen Personen stehen, die als Feinde der Rechten angesehen werden. Und wenn ich mir Oskar Maria Graf zum Vorbild nehme, dann muss ich fragen: Warum stehe ich nicht auf der Liste? Ich spreche hier im Namen der katholischen Kirche, einer Kirche, deren Gründer Nächstenliebe gepredigt hat. Die einen Gott verehrt, der ein Menschenfreund ist, der großzügig ist. Der Hass und Diskriminierung verachtet. Warum stehe ich nicht auf der Liste? Und ich persönlich lehne Radikalismus und Nationalismus ab. Ich gehe auf die Barrikaden gegen die Menschenverachtung und die zynische Überheblichkeit, mit der diese Leute auf andere herabschauen. Mir wird schlecht, wenn ich Menschen sehe, die das Horst Wessel Lied singen und „Juda verrecke“ schreien. Ich hab die Schnauze voll, dass einige davon sich als Demokraten inszenieren. Und ich bin entsetzt darüber, dass ich das heute noch alles sagen muss. Dass wir nicht weiter sind. Obwohl doch schon 1933 von Menschen wie Oskar Maria Graf alles gesagt wurde. Aber leider ist es notwendig es nochmal zu tun. Und so will ich allen Extremisten da draußen, die das Bedürfnis haben Feindeslisten zu führen sagen: Ich bin euer Feind. Setzt mich auf die Liste!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30867
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