Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30APR2020
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Vor kurzem traf ich einen Bekannten, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Früher hatten wir mal mehr miteinander zu tun. Er grüßte mich von Ferne – näher sollte man sich ja im Augenblick nicht kommen. Später schrieb er mir dann eine Whats App. Da hat er über alles Mögliche geschimpft und wie so oft begann er mit: Also du als Pfarrer, du siehst es doch sicher auch so….“

Und gleich war alles wieder da. Ich wusste sofort wieder, warum sich unsere Beziehung verändert hatte. Er hatte angefangen, sich über alle anderen zu beklagen. Erst waren es die Nachbarn, dann gemeinsame Freude und Bekannte. Irgendwann konnte und wollte ich es nicht mehr hören und war ihm aus dem Weg gegangen. Eigentlich schade.

Dieses Treffen auf dem Markt und die WhatsApp ließen alles wiederaufleben. Und er war immer noch ganz gefangen in seinem engen Denken. Irgendwie gefangen in sich selbst. Früher hatte ich versucht, auch andere Sichtweisen in unsere Gespräche einzuspielen. Um Verständnis für Anderes und Andere zu ermöglichen. Als ich aber gemerkt habe, dass das zu nichts führt, habe ich mich zurückgezogen.

Und nun – Jahre später – musste ich feststellen, dass sich nichts verändert hatte, dass er noch immer ganz in seinen festgefahrenen Vorstellungen gefangen war. Das tat mir wieder sehr leid. Aber ich wusste nicht, wie ich ihn befreien könnte. Es hatte sich ja so gar nichts getan in den letzten Jahren. Das braucht es eine andere Kraft.

Von Jesus gibt es einige Geschichten, in denen er Menschen befreit – aus ihrer Selbstgerechtigkeit, aus ihren festgefahrenen Rollen, aus ihrer Blindheit.

In sich gefangen zu sein, ist sicher eine schlimme Art der Gefangenschaft. Man muss es selbst erkennen und sich nach Freiheit sehnen damit Veränderung möglich ist. Ich glaube: Gott kann das - befreien. Gerade auch dann, wenn man in sich selbst gefangen ist und keinen Ausweg findet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30818
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