SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

07MAI2020
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Es gibt ein Wort, das fällt mir schwer auszusprechen: Es ist das kleine Wort „Nein“. Ich sage viel lieber: „Ja“ als „Nein“ und habe den Eindruck, dass das nicht nur mir so geht. Da bittet mich mein Sohn, ob ich ihn ausnahmsweise von der Schule abhole, weil er sonst so lange auf die nächste Bahn warten müsste. Eigentlich wollte ich länger im Büro bleiben, will darum „Nein“ sagen – und sage trotzdem Ja. Oder eine Kirchengemeinde fragt mich, ob ich einen Sonntagsgottesdienst bei ihnen halten würde. Der Prediger, der zugesagt hatte, sei leider kurzfristig ausgefallen. Ich habe den Sonntag tatsächlich noch frei, aber eigentlich ist es mir zu viel. Ich mache also den Mund auf, um Nein zu sagen, und heraus kommt ein Ja.

Woran liegt das, dass mir das „Nein“ so schwerfällt? Es gibt schon Gründe. Zum einen enttäusche ich Menschen nicht gerne. Es fällt mir schwer, die Enttäuschung anderer auszuhalten und das traurige Gesicht zu sehen, wenn ich zu einer Bitte Nein gesagt habe. Aber es liegt natürlich auch daran, dass ich mir wünsche, dass die anderen gut von mir denken. Sie sollen über mich sagen: „Das ist aber ein hilfsbereiter Mensch, immer da, wenn man ihn braucht, immer bereit zu helfen, wenn Not ist. …“ So was tut mir gut und hebt mein Selbstwertgefühl.

So sage ich manchmal Ja obwohl ich Nein sagen wollte. Aber im Grunde ist das kein ehrliches Ja. Mein Mund stimmt zwar zu, doch mein Herz ist dagegen. Und so kann es dann passieren, dass ich das, was ich zugesagt habe, nicht mit frohem Herzen mache, sondern eher unwillig, mürrisch und mit wenig Einsatz. Wie blöd, wenn derjenige, der mich um den Gefallen gebeten hat, das auch noch merkt.

Ich glaube, auch deswegen hat Jesus einmal gesagt: „Eure Rede sei Ja, Ja, oder Nein, Nein – was darüber ist, ist von Übel“ (Mt 5,37) Jesus war ein Freund klarer Worte. Und es war ihm wichtig, dass Herz und Mund zusammenpassen. Nicht das eine sagen und das andere denken. Das ist nicht fair und nicht gut. Es ist ein Übel.

Ich weiß: Ich habe da noch einiges zu Lernen. Aber ich bin mir sicher, dass ich noch eine Menge Möglichkeiten zum Üben bekomme. Spätestens wenn das nächste Kind fragt: „Papa, kannst du mal bitte für mich…“

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