SWR2 Wort zum Tag

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30APR2020
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Am letzten Sonntag war ich in einem „Autokinogottesdienst“. Schon faszinierend, auf was für Ideen wir in Zeiten der Krise kommen. Der Pfarrer durfte die Infrastruktur eines örtlichen Autokinos nutzen, um am Sonntagmorgen Gottesdienst zu feiern. 

Seit Gottesdienstversammlungen verboten sind, sind die Kirchengemeinden ganz schön kreativ geworden, um trotzdem ein bisschen Kontakt zu halten. Schnell gab es die ersten Livestream-Gottesdienste, oder auch Gottesdienste als Videokonferenz. Aber ich habe schnell gemerkt, dass alles nicht so richtig ans Original rankommt. Ich vermisse das Gemeinsame, dass es lebendig zugeht, den Kirchenraum, die Menschen um mich herum. Ob das Experiment Autokinogottesdienst da weiterhelfen kann? 

Meine Frau und ich hatten ausnahmsweise keine Mühe, unsere beiden Kinder zu motivieren. Denn „Autokinogottesdienst“ das klingt doch spannend. Und es war auch spannend. Ungefähr 80 Autos sind angerollt und wurden professionell auf dem Parkplatz  eingewiesen. Um den Ton gut zu hören mussten wir eine UKW-Frequenz am Autoradio einstellen. Erst mal freundlich rechts und links den Nachbarn zugewunken und dann geht´s los. 

Ein Keyboard und eine Gitarre stimmen das erste Lied an. Der Liedtext erscheint vorne auf der riesigen Leinwand. Am Anfang komme ich mir noch etwas komisch vor, wie ich da hinterm Lenkrad ein Kirchenlied singe. Aber das ändert sich im Laufe des Morgens. Später singt die ganze Familie lauthals mit, und wir klatschen sogar dazu. Und auch unsere Autonachbarn werden mutiger. Der Altar ist vor der Leinwand aufgebaut, und alles was der Pfarrer sagt und tut wird großformatig übertragen. Erst einmal sollen wir alle aus dem Fenster winken. Später dann beim Friedensgruß wünscht uns der Pfarrer den Frieden, und statt einer Antwort fangen einige an zu hupen. Genauso am Ende, als wir gesegnet werden. 

Beim Rausfahren winkt der Pfarrer in jedes Auto, das an ihm vorbeifährt. Er freut sich, wenn er bekannte Gesichter entdeckt - bisher hat er ja nur spiegelnde Windschutzscheiben wahrnehmen können. Wir waren uns mit unseren Parkplatznachbarn einig: am nächsten Sonntag kommen wir wieder, es hat einfach gut getan. 

Ich habe mich nachher gefragt, was es denn nun genau war, das gut getan hat. Vielleicht, dass der Pfarrer uns so freundlich zugewunken hat. Vielleicht, dass wir als Familie etwas gemeinsam unternommen haben jenseits der Wohnung. Vielleicht, dass ich mich wieder einmal ausrichten konnte auf etwas Größeres hin. Vielleicht auch, einfach wieder einmal zu sehen, dass andere auch das Bedürfnis danach haben, gemeinsam zu beten und zu singen. 

An diesem Morgen ist mir aufgegangen, wie wichtig es ist, sich live zu begegnen, gemeinsam etwas zu erleben, Kontakt aufzunehmen - auch wenn nur mit den Augen oder per Autohupe. Und ich bin echt froh, wenn das nach und nach endlich wieder möglich sein wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30807
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