SWR4 Abendgedanken

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24APR2020
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Geduld ist eine Tugend. Jedenfalls wurde mir das früher immer wieder gesagt. Aber Geduld ist nicht meine Stärke. Es gibt Momente, in denen ich einfach nur ungeduldig bin, sozusagen tugendlos. Um bei der Redewendung zu bleiben.

Ich kann nicht gut damit umgehen, wenn andere zu spät kommen und ich lange warten muss. Vor allem dann nicht, wenn ich mich extra beeilt habe oder wenn ich mich bemüht habe, alle Aufgaben in der vorgeschriebenen Zeit zu erledigen.

Wenn ich dann dastehe, fertig bin und warte, dann merke ich, dass Geduld nicht unbedingt meine größte Stärke ist.

Deswegen habe ich mich in den letzten Wochen gefreut, dass andere sich mit mir in Geduld geübt haben. In diesen Wochen der Krise, in denen eben nicht alles so möglich war, wie ich es gerne gehabt hätte. Aber es haben sich ja viele um Geduld bemüht und waren geduldig. Da habe ich mich anstecken lassen. Und so habe ich dann vor dem Dorfladen gewartet. Weil alle Einkaufswägen belegt waren und somit der Laden voll. Dann habe ich draußen gestanden und gewartet. Weil es mir wichtig war, niemanden durch meine Nähe und meine Ungeduld zu gefährden. Weil ich auch gemerkt habe, dass es anderen genauso ging.

„Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, offenbart seine Torheit.“ (Sprüche 14,29) So lautet eine alte biblische Weisheit.

Ich finde: Sie ist aktueller als je gedacht. Sie ist aktuell, weil so viele Menschen in den letzten Wochen geduldig waren. Sie haben gewartet mit dem Besuch beim neugeborenen Enkelkind – auch wenn es schwergefallen ist. Sie haben sich im vorgeschriebenen Abstand an der Kasse angestellt – auch wenn es dadurch anders war als sonst. Sie haben geduldig hingenommen, dass Feste verschoben wurde, auch wenn es nicht in die Planung gepasst hat.

Und ich habe gelernt. Mit all den anderen gemeinsam. Geduldig zu sein, weise zu werden. Ich hoffe bloß, dass ich diese Tugend nicht wieder verliere, wenn alles wieder so wird wie es mal war. Denn das wäre wirklich schade. Geduld zu lernen ist nämlich ein ganz schöner Fortschritt. Und rückschrittig möchte ich nun wirklich nicht sein. Aber weise sein, das gefällt mir.

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