SWR4 Abendgedanken

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20APR2020
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„Wir vermissen Euch! Die Erzieherinnen.“ So lautet der Text auf dem Schild, das nun seit Wochen am Zaun unseres Kindergartens hängt. Neben den Ordnungsschildern, die darauf hinweisen, dass die Einrichtung geschlossen ist. Wegen Corona. Weswegen wohl sonst.

Wie schön setzt sich dieses Schild von den anderen Schildern ab. Weil es nämlich ein Gefühl vermittelt. Für die Kinder, die dort ansonsten ein und aus gehen. Wir vermissen Euch! Das heißt mit anderen Worten: Liebe Kinder, ihr fehlt uns! Ohne Euch sind wir nicht das, was wir sind. Ohne Euch können wir unseren Beruf nicht ausüben. Ohne Euch ist nichts wie es mal war.

Und neben diesem Schild und ein paar Bildern, die hüpfende Osterhasen und bunte Eier zeigen, hängt die Antwort der Kinder. „Wir vermissen euch auch! Die Kinder.“ Und auch die Kinder haben Bilder gemalt. Bunt und fröhlich, altersgemäß und individuell.

Immer wenn ich in den letzten Tagen an diesem Zaun vorbeigegangen bin, habe ich mich darüber gefreut. Ein gutes Gefühl hat sich in mir ausgebreitet. Das Gefühl, dass Menschen sich mögen, einander brauchen und sich wertschätzen. Und: Dass plötzlich das so Alltägliche etwas ganz Besonderes ist.

Ich denke, nicht nur Erzieherinnen, Eltern und Kinder haben angefangen das Alltägliche zu vermissen. Auch mir ist es so ergangen. All das, was meinen Alltag ausgemacht hat, war plötzlich weg. Und ich habe deutlich gespürt, was sonst mein Leben ausmacht. Wie reich beschenkt ich bin mit meinem Alltag, mit meinen täglichen Freuden und meinen Sorgen. Es hat eine Pandemie gebraucht, damit ich das erkenne und spüre.

Jedes Mal wenn ich in den letzten Tagen an diesem Zaun vorbeigegangen bin, habe ich mich daran erinnert. Mein Alltag ist reich an Lachen und Weinen, an Kummer und Freude, an Sehnsucht und Nähe, an Glück und Unglück. All das macht mein Leben so reich, so normal, so alltäglich. Ich habe mir vorgenommen, das Alltäglich mehr wertzuschätzen und mich daran zu freuen, dass es mir an nichts mangelt. Genauso wie es in Psalm 23 heißt: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

Es fehlt mir an nichts. Genau das Gefühl möchte ich nicht mehr vergessen, wenn irgendwann diese Krankheit überwunden ist und das Leben wieder normal läuft.

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