SWR4 Sonntagsgedanken

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19APR2020
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Ich bin ja gespannt, wie das ab morgen alles weitergeht. „Nach Ostern“, hat es ja geheißen. „Nach den Osterferien“. Da wird es anders. Da kann das Leben langsam wieder anfangen.

Die Bibel erzählt eine Geschichte, da ist es ganz ähnlich. Diese Geschichte erzählt, wie die Jünger, also die Freunde und Freundinnen von Jesus, die Ostertage verbracht haben: Sie sind - zuhause geblieben! Grad so wie Sie und ich in diesem Jahr an den Ostertagen zu Hause geblieben sind. Aber zusammen mit der ganzen Familie wärs halt doch schöner gewesen und die fünfte Woche ohne Schule – wer hätte es gedacht – richtig langweilig für unsere jungen Leute! Manche haben sich auch gar nicht getraut, ihre Wohnung zu verlassen.

So wie die Jünger. Die haben sich offensichtlich nicht vor die Tür getraut, weil sie einfach Angst hatten. Sicher, eine von ihnen, Maria, die hatte ihnen wohl erzählt, dass das Grab von Jesus leer war und dass sie Jesus mit eigenen Augen gesehen hatte, aber so richtig geheuer war ihnen das nicht. Auferstehen, aufstehen, neu anfangen, leben – wie soll das gehen?

Und dann haben sie plötzlich gemerkt: Jesus ist bei ihnen. Die Bibel erzählt, dass Jesus zu ihnen in den verschlossenen Raum gekommen ist und gesagt hat: „Friede sei mit euch!“ Und dann hat er ihnen seine Hände gezeigt, die von den Nägeln am Kreuz verletzt waren. Sie waren so froh, dass sie Jesus vor sich hatten.

Ich stelle mir vor, dass in diesem Augenblick wirklich eine tiefe Ruhe eingekehrt ist. Ja, diesen Frieden Gottes, den stelle ich mir als eine tiefe Ruhe vor. Du hörst die schlimmen Nachrichten Tag für Tag. Aber du lässt dich nicht davon verrückt machen. Du stellst dir vor, wie es jetzt wohl in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zugeht, aber du machst dir klar: da sind jetzt verantwortliche Fachleute am Werk, die ihr Bestes tun. Ich spüre diesen Frieden, wenn ich abends mit einem Viertele Wein Feierabend mache. Danke, lieber Gott, bete ich dann, wieder ein Tag und wieder ist es irgendwie weiter weitergegangen. Ich habe getan, was ich heute tun konnte. Und nun möchte ich es auch abgeben und loslassen können. Danke, lieber Gott, und bewahre uns!

Es sind solche Augenblicke, da spüre ich etwas Österliches. Ich glaube, in solchen Augenblicken ist der auferstandene Jesus mit seiner Lebenskraft bei mir, bei uns daheim. Und in solchen Augenblicken weiß ich auch, was für mich dran ist: Aufstehen, weitermachen, nach vorn schauen und den Platz ausfüllen, an den Gott mich gestellt hat.

Jesus hat damals nach Ostern seine Jünger ins Leben geschickt. Und ich hoffe darauf, dass er mich genauso ins Leben schickt: zuversichtlich, besonnen und respektvoll und geduldig, wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe. So wie Jesus halt auch den Menschen begegnet ist.

Aber: Ich bin ja nun nicht mit dabei gewesen und kann das nur glauben, was die Jünger damals erlebt haben. Deswegen finde ich es gut, dass die Bibel von dem Jünger namens Thomas erzählt. Der ist nämlich auch nicht dabei gewesen, als Jesus zu den anderen Jüngern gekommen ist. Der konnte nicht glauben, was die anderen ihm berichtet haben.

Deswegen war er zuerst ziemlich skeptisch. Er wollte Jesus selber sehen – sonst könnte er es nicht glauben, dass es wirklich Jesus ist und nicht eine Einbildung oder ein frommer Traum. So etwas gibt es ja, gerade in Krisen: Da flüchten sich manche Menschen in Hirngespinste und Wunschvorstellungen und sagen gar: Mir passiert schon nichts.

Da ist mir die Skepsis von diesem Thomas schon lieber. Er kann nur dann glauben, dass Jesus lebt, wenn es erkennbar derselbe Jesus ist, den er kennengelernt hatte. Ein Heiland eben, also einer, der die Not sieht und sich für die Menschen in Not einsetzt. Einer, der am Ende sogar das Leid und den Tod selbst auf sich genommen hat. Das ist der Jesus, den Thomas lebendig an seiner Seite haben möchte: Den mitleidenden Christus.

Ich glaube, Thomas hat da etwas begriffen, was ich mir auch immer wieder klar machen möchte: Jesus hat mit den Menschen mit gelitten. Er war allen nahe, denen es schlecht geht. Er war bei denen, die Angst hatten und sich große Sorgen gemacht haben. Deshalb ist Jesus hoffentlich auch bei mir, bei uns, wenn es uns so ergeht. Seine Wunden und sein Schmerz zeigen mir: Gott ist genau da am Werk und verändert das Leben.

Für mich ist das eine tröstliche Vorstellung, wenn ich an das Leid in diesen Tagen denke. Selbst wenn es jetzt irgendwann mit dem Einstieg in den Ausstieg vorangeht, ist doch für viele Menschen überhaupt noch kein Ende in Sicht. Viele müssen jetzt weiter zu Hause bleiben. Viele können immer noch nicht zu ihren Angehörigen im Krankenhaus und ins Pflegeheim und manche müssen sich wohl auch Sorgen machen, dass sie sie gesund nicht wiedersehen. Wenn es Ihnen so geht, dann wünsche ich Ihnen sehr, dass Gott sich Zugang verschafft. Zu Ihnen. Zu Ihren Angehörigen. Nicht sehen und doch glauben. Vertrauen Sie auf Gott, dass er Ihnen hilft, die Not und die Unsicherheit zu ertragen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen: einen guten Sonntag, eine gute Woche, viel Kraft und viel Gottvertrauen! Bleiben Sie behütet!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30751
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