SWR3 Gedanken

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22APR2020
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Als Pfarrerin mache ich normalerweise Besuche. Wenn jemand alt oder krank ist etwa und den Besuch einer Pfarrerin wünscht. Jetzt in der Krise kann ich leider nur anrufen. Aber an diese Besuche denke ich gerade in diesen Tagen zurück. Denn manchmal sind Besuche eine besondere Herausforderung, etwa dann, wenn der Mensch nicht mehr sprechen kann, weil er zum Beispiel die Sprache durch einen Schlaganfall verloren hat. Bei solchen besonderen Besuchen nehme ich oft meinen Hund mit. Er ist ein mittelgroßer Straßenmischling, früher war er schwarz, jetzt ist es ein grauer älterer Herr. Und ich habe schon viel von ihm gelernt. Zum Beispiel, wie das geht, mit einem Menschen ohne Sprache zu sprechen.

Einmal waren wir bei einer älteren Dame zu Besuch. Die hatte schon lange aufgehört zu reden. Mein Hund hat sich ganz dicht neben ihr Bett gesetzt, seinen Kopf auf ihre Hand gelegt und sie mit seinen großen Augen einfach nur angeguckt. Ganz langsam hat sie ihren Kopf gedreht. Die beiden haben sich lange angeguckt. Ruhig und voller Frieden.

Bei einem behinderten jungen Mann im Rollstuhl hat mein Hund angefangen, dessen verkrümmte Hände zu lecken. Der junge Mann hat laut gelacht und sich gefreut. Ich wusste gar nicht, ob sowas erlaubt ist, so eine schmutzige Hundeschnauze. Aber der Pfleger meinte lediglich: „Lassen sie ruhig, ist doch schön, nachher waschen wir dann die Hände.“ Wir hatten an diesem Nachmittag aber auch einen zu großen Spaß! Und mein Hund und ich sollten gerne bald wiederkommen.

Worte austauschen ist nicht immer so wichtig. Das habe ich von meinem Hund gelernt. Viel wichtiger als Worte ist: keine Angst haben, den Anderen wahrnehmen, einfach nur für den Anderen da sein.

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