SWR4 Abendgedanken

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29APR2020
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Ich habe noch nie darüber nachgedacht, was einmal auf meinem Grabstein stehen soll. Ganz klassisch könnten dort mein Name und mein Beruf stehen. Oder ein witziger Spruch, zum Beispiel: Denger mein Name, gestatten Sie, dass ich liegen bleibe. Auf noch viel bessere Ideen bin ich im letzten Jahr im Urlaub gestoßen. Bei einem Spaziergang über den Friedhof von Keitum, einem kleinen Ort auf Sylt. Viele Kapitäne liegen hier begraben. Seefahrer, die bis nach Grönland unterwegs waren, um Wale zu jagen. Starke Frauen, die zuhause alle Geschäfte geführt haben, wenn der Mann für Wochen und Monate die Meere durchkreuzt hat.

Vor dem Grab von Inken Peters bin ich lange stehen geblieben. Sie liegt dort seit dem Jahr 1800 begraben. Mit 66 Jahren ist sie verstorben. Ihr Ehemann Uwe hat sie überlebt und auf den Grabstein geschrieben:

Ruhe wohl geliebter Schatz,
in dem kühlen Grabe,
da ich einst gewünschten Platz,
neben dir auch habe.
Ruhe bis wir auferstehn
und dem alle beyde
herrlich und vereinigt gehen
in des Himmels Freude.

Ich weiß nicht genau, wie Ehepaare vor über 200 Jahren zusammengelebt haben. Wahrscheinlich war vieles strenger und der Alltag mühevoller. Doch aus den Worten auf dem Grab spricht auch etwas anderes: „Ruhe wohl geliebter Schatz.“ Der Ehemann blickt auf schöne Jahre zurück und hofft seine Frau wieder zu sehen. Ruhe bis wir auferstehen und im Himmel wieder vereint sind.

Ein paar Jahre später stirbt auch Uwe. Seine Inschrift lautet:

Gott hat meinen Wunsch gewährt
ich ruhe jetzt in Frieden.
bey meinem Schatz in der Erd
von dieser Welt geschieden.
Mein Schiff stößt an den Strand
ich bin nun angekommen.
Und ins Himmel Vaterland
als Bürger aufgenommen.

Das Ehepaar Peters hat sich so eine Art Liebesbrief auf das Grab gemeißelt. Solche Inschriften zeigen mir: Ein Friedhof ist nicht nur ein Ort, um sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden und zu trauern. Hier kann ich manchmal auch Kraft sammeln und hoffnungsvolle Worte entdecken. So wie beim Grabstein von Ehepaar Peters: Sie vertrauen darauf, dass ihre Liebe bei Gott weitergeht. Das ihr Schiff an den Strand im Himmel stößt. Schönere Worte kann ich mir für einen Grabstein nicht vorstellen.

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