SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

12APR2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in
Fulbert Steffensky Fulbert Steffensky

Annette Bassler trifft Prof. Fulbert Steffensky

Auferstehung – jetzt?

Seine Bücher und Predigten haben mich auf kluge und ehrliche Weise aufgerichtet. Die Bücher seiner verstorbenen Frau Dorothee Sölle haben mir geholfen, Geistliches und Politisches miteinander zu verbinden. Und jetzt darf ich dem 86-jährigen vor Ostern begegnen. Am Telefon. 420 Kilometer sind es zwischen Mainz und Luzern, wo er lebt. Wie er Ostern feiern wird?

Gottesdienste fallen weg, das Treffen der Freunde fällt weg, es wird vielleicht sogar ein intensives Ostern werden, weil man nicht draußen verzettelt ist.

Intensives Ostern? Gewiss, draußen ist alles grün und die Vögel zwitschern. Aber drinnen sind die Sorgen davon nicht weg. Aber Ostern ist ja auch kein Frühlingsfest. An Ostern geht es um Auferstehung. Was das ist, mag Fulbert Steffensky nicht gern erklären, lieber erzählen.

Vielleicht könnte man erzählen die Schönheit oder das Revolutionäre der Geschichte, dass ein Mensch, von Gott auserwählt, der das Recht suchte in seinem Leben, der Gott suchte in seinem Leben, dass der nicht im Tod gelassen wurde. Der Tod hält ihn nicht gefangen.

Und das können wir heute feiern. Überall stehen Pfarrerinnen und Pfarrer allein in der Kirche und die Gemeinde sitzt zu Hause vor dem Radio, dem Fernseher oder dem PC. Man kann mitsingen wie früher: „Christ ist erstanden von der Marter alle- des soll‘n wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.“

Es kann schon sein, dass mein Mund, der die Auferstehungslieder singt, klüger und frömmer als mein Herz, das noch nicht nachkommt. Und das ist eben so. Wir sind ja zum Glück nicht nur Mund, sondern auch Herz.

Eine wunderbare Ostergeschichte ist für mich die, wie Maria von Magdala zum Grab geht, um ihren toten Jesus zu salben. Und ihn nicht findet, weil der Stein vor dem Grab weggerollt ist. Fulbert Steffensky liebt die zärtliche Begegnung zwischen Maria und Jesus- auf Abstand.

Es ist da diese Frau, manche haben sie eine Sünderin genannt. Sie weint und sie fragt: „Wo ist mein Herr, hast du ihn weggetragen?“ Und der Auferstandene nennt sie beim Namen und sie erkennt sich selbst und sie erkennt die Szene. Und sie darf ihn nicht berühren.

Die Lieben sehen. Und sie nicht berühren dürfen. Mich schmerzt das in diesen Tagen. Aber es verbindet mich auf andere Art mit ihnen. Maria geht es ähnlich. Selbst der Tod hat ihre Liebe zu Jesus nicht zerstören können. Dafür wird sie kämpfen.

Auferstehung hat etwas mit Aufstand zu tun. Dass nicht nur einer auferstanden ist, sondern dass Menschen aufstehen, auf die Beine kommen, die Hoffnung nicht verlieren. Insofern- der Glaube ist ja kein Fürwahrhalten, es ist ein Glaube mit Hand und Bein und steht auf und kämpft für etwas und liebt etwas und freut sich am Leben.

Was könnte sich bei uns verändern?

Hoffnung lernen

In diesem Jahr feiern wir Ostern ganz anders als sonst. Stiller, privater. Ohne Osternacht in der Kirche, ohne Festessen im Freundes- und Familienkreis. Der Theologe Fulbert Steffensky sieht darin auch eine Chance. Ostern mal anders feiern. Innerlicher. Denn Ostern ist kein Fest, das Leid und Tod ausblenden will. Ostern hilft, das Tal von Leid und Not durchschreiten zu können. Einen wichtigen Schritt sieht er darin, sich selber realistischer zu sehen.

Vielleicht kann man neu lernen, uns unsere eigene Sterblichkeit einzugestehen. Dieses Corona ist ja etwas, man spürt, es wackelt etwas, die Selbstverständlichkeiten sind hin. Die falschen Selbstverständlichkeiten.

Falsche Selbstverständlichkeiten. Vielleicht gehört dazu, das Leben würde einfach so weitergehen wie bisher. Oder - dass es an mir liegt, wenn etwas nicht so gut läuft. Weil ich mich einfach nicht genug angestrengt habe. Im Blick auf die Pandemie stellt sich vieles als Illusion heraus. Die Alternative zu dieser Haltung ist: Ich kann – und ich muss mir im Leben vieles eben nicht „erarbeiten“. Es ist Gnade. Fulbert Steffensky beschreibt sie so:

Ich bin nie nur, der ich bin, ich bin nicht mein eigener Schöpfer. Das heißt eigentlich Gnade, dass man nicht nur sein muss, der man ist, sondern dass man ernährt wird von Broten, die man nicht selbst gebacken hat. Und einen Wein trinkt, den man nicht selbst gekeltert hat. Das ist das Herrliche, der Charme: ich bin nicht gezwungen, nur authentisch mit mir selbst zu sein, sondern ich bin der, den andere lieben, ich bin der, den andere trösten. Das heißt Gnade

Und aus dieser Gnade zu leben- das würde sich Fulbert Steffensky wünschen. Dass wir das für uns lernen. Und als Gesellschaft. Dass wir dieser Gnade, dem Unverfügbaren in unserem Leben, einen Stellenwert geben.

Die eigene Endlichkeit lernen, sich nicht wie Götter benehmen, wie wir es tun, nicht meinen, die Welt wäre auf uns zugeschnitten und wissen, man muss sterben. Wissen, alles hat seine Zeit und ist vergänglich.

Alles ist vergänglich. Aber was hält und trägt uns in dieser Vergänglichkeit? Am Ende unseres Gesprächs frage ich Fulbert Steffensky nach seiner Hoffnung.

Ich muss einfach sagen: meine Kinder, meine Enkel, die Kinder in den Lagern Griechenlands, das sind meine Hoffnungsbilder. Weil ich an ihnen lerne, was sie brauchen und was ihnen nicht angetan werden soll. Und an ihnen verlerne ich die Frage, ob man Hoffnung haben kann. Wer liebt, der tut zumindest, als hoffe er, indem man für sie arbeitet, für die schreit, für sie sich empört. Alle die, die ernsthaft gearbeitet haben an der Hoffnung, die haben diese Frage nicht gestellt „kann man hoffen?“. Sie haben gearbeitet und sie haben die Hoffnung darüber gelernt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30720
weiterlesen...