SWR2 Wort zum Tag

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11APR2020
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Der heutige Karsamstag kommt tatsächlich im christlichen Glaubensbekenntnis vor. Dass der Karfreitag für den Glauben wichtig ist, das ist zu erwarten. Aber der Karsamstag?

Doch auch der. Gleich nachdem Christen von Jesus bekennen, dass er „gekreuzigt, gestorben und begraben“ worden ist. Also nach dem Karfreitagsgeschehen, folgt: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ Als Konfirmand habe ich sogar noch die alte Formulierung gelernt. „niedergefahren zur Hölle.“ Das ist Karsamstag.

Nein, ich glaube nicht an eine mythologische Hölle, in der Menschen ins Feuer geschickt werden als Strafe Gottes. Aber ich weiß, dass Menschen durch „Höllen gehen“ müssen. Hier, in ihrem Leben, in unserer Welt. Mitten im 21. Jahrhundert. Trotz Aufklärung, Reichtum, Technik und Humanität. Trotz 2000 Jahre Christentum. Trotz all dem, worauf ich als Mensch des Westens stolz bin.

Leider müssen Menschen immer noch durch die Hölle gehen. Ich weiß das. Und Sie auch. Und darum ist es notwendig und mir auch ein Trost, dass im Glaubensbekenntnis der Karsamstag vorkommt. Es wäre schlimm, wenn jeder Mann, jede Frau, jeder Mensch, jedes Kind, das in seinem Leben durch eine Hölle gehen muss - wenn sie das alle gottverlassen erleiden müssten. Darum finde ich es wichtig für Christen und unseren Glauben, dass Jesus am Karsamstag hinabsteigt – wie es heißt.

Zu denen, die uns vorausgestorben sind. Zu denen, die durch die Hölle gehen mussten und immer noch müssen. Für mich bedeutet das, Gott schickt niemand in die Hölle. Nein: Mit Jesus ist er bei Menschen, die Schlimmes erleiden.

Ich hoffe, Gott ist in der Hölle in Syrien, bei den vielen Kindern und Erwachsenen dort. Vor lauter Pandemie haben wir sie noch mehr aus den Augen verloren.

Ich denke beispielhaft an Geflüchtete auf den griechischen Inseln. Die wir Europäer in dieser Hölle lassen. Ich denke an Christen in vielen Ländern, die große Angst haben, dass Fanatiker sie nicht in Frieden Ostern feiern lassen.
Ich denke an eine 92-jährige Frau. Ihr Mann musste vor ein paar Tagen ins Krankenhaus. Sie hat ihn nicht besuchen dürfen. Er musste allein sterben.  Ich denke an Frauen und Männer mit einer schweren Diagnose und der seelischen Not, die sie durchleben. Und ich denke an Menschen, die Schuld auf sich geladen haben und sich damit quälen. Ihnen fallen vermutlich noch andere Höllen ein.

Aber: Der christliche Glaube wagt zu hoffen: Gott ist bei den Menschen.
Und ja: es kommt Ostern, jenseits der Hölle.

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