Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

11APR2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es gibt ja Menschen, die tauchen immer zu spät auf. Etwa die Polizei mit Blaulicht und Sirene nach dem showdown im Fernsehkrimi. Heute am Karsamstag, ist sozusagen der biblische Krimi zu Ende. Gestern am Karfreitag ist Jesus am Kreuz gestorben. Und da, wo anscheinend alles vorbei ist, taucht ein Mann auf, von dem vorher nie die Rede gewesen war, Josef von Arimathäa. Für die Freunde Jesu war eine Welt zusammengebrochen. Sie hatten alles auf ihn gesetzt, hatten alles verlassen, waren ihm gefolgt, und nun dieses Ende. Geblieben war ihnen die Angst um das eigene nackte Leben. Wahrscheinlich trauten sich kaum noch auf die Straße. Und ausgerechnet jetzt kommt dieser Josef aus der Deckung heraus, will sich um den toten Jesus kümmern und ihn beerdigen. Er war offenbar ein vermögender Mann, der in Jerusalem eine eigene Grabstätte besaß. Er war Mitglied des Hohen Rates, also ein gesellschaftliches und politisches Schwergewicht. Im Lukasevangelium heißt es von ihm: „Er wartete auf das Reich Gottes und hatte dem, was die anderen beschlossen und taten, nicht zugestimmt, weil er gut und gerecht war.“ (Lk 24,51) Josef hat sich also sein eigenes Urteil über Jesus von Nazareth gebildet. Das ist mutig. Und er setzt noch einen drauf, indem er sich jetzt ganz öffentlich um den Leichnam kümmert. Jetzt in Zeiten der Coronakrise ist es ratsam und richtig, die Zahl der Teilnehmer bei einer Beerdigung auf ein Mindestmaß zu reduzieren, so schmerzlich das auch ist. Aber damals in Jerusalem ging es darum, einem Unschuldigen ein letztes Stück Ehre zurückzugeben, selbst auf die Gefahr hin, Ärger zu bekommen. Es gibt also nicht nur davongelaufene Jünger. Deshalb ist dieser Josef für mich keiner, der zu spät gekommen ist. So kommt es, dass in das Grab eines Mitglieds des Hohen Rates ein Ehrloser gelegt wird, der von eben diesem Gremium zum Tod verurteilt worden war. Das Grab ist damit ein Zeichen des Protestes gegen dieses Urteil. Und noch etwas:  Das Grab wird zum Ort der Auferstehung. Aber das ist eine ganz neue Geschichte, die beginnt morgen – an Ostern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30700
weiterlesen...