SWR3 Gedanken

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15APR2020
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Noch bevor alle Veranstaltungen wegen Corona abgesagt wurden, war ich auf einem Tanzabend in Tübingen. Heute nicht so richtig vorstellbar, aber vielleicht erinnere ich mich deshalb so gerne daran. Circa hundert Leute tanzen einen Abend lang Volkstänze aus ganz Europa – in Gruppen, zu zweit, im Kreis, mal gemütlich im Walzer, mal im Schweinsgalopp durch den ganzen Saal. Und eine junge Frau mit dabei, die mit geschlossenen Augen jeden Tanz mittanzt. Irgendwann habe ich gemerkt, sie ist blind. Und da war ich total beeindruckt.

Blind tanzen – beim Walzer zu zweit, kann ich mir das noch gut vorstellen. Aber sie macht auch bei Gruppentänzen mit, wild durch den ganzen Saal und ich habe gefühlt alle drei Sekunden einen neuen Partner. Die Frau hat offensichtlich Vertrauen in die Menschen um sich herum und in sich selbst.

Die junge Frau an dem Abend hat mir Mut gemacht, mich auch öfters in Dinge hineinzustürzen, die im ersten Moment auf mich unheimlich kompliziert wirken. Ein Konflikt im Freundeskreis zum Beispiel, der schon länger anhält. Sieht unheimlich kompliziert aus, das Problem könnte aber vielleicht mit einem guten Gespräch geklärt werden. Das hat viel mit Selbstvertrauen zu tun. Und ich kann darauf vertrauen, dass wir es gut miteinander meinen im Freundeskreis, da geht es mir ähnlich wie der jungen Frau beim Tanzabend.

Mir hilft dabei auch mein Glaube an Gott. Glauben ist wie Vertrauen in etwas haben, dass es gut werden kann. Ich vertraue auch darauf, dass dieser Ausnahmezustand, wie wir ihn gerade haben, irgendwann wieder zu Ende ist und dass wir es da gut raus schaffen. Wir sind nicht dafür geschaffen uns abzuschotten und überall Sicherheitsabstände einzuhalten. Ich glaube eher, wir sind dazu gemacht, dass wir Vertrauen zueinander finden. Wir sind zum Tanzen gemacht. Und ich kann es kaum erwarten, wenn es damit wieder losgeht.

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