SWR2 Wort zum Tag

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02APR2020
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Mit zum Schönsten, was wir können, gehört das Schenken. Und sich beschenken lassen. Beides braucht Phantasie und Zeit. Dass jemand mich anruft und nach mir fragt, ist ja weiß Gott nicht selbstverständlich. Dass die Nachbarin mir ihre Handy-Nummer anvertraut und sagt, ich könne sie jederzeit um Hilfe bitten, berührt und schenkt mehr Sicherheit. Dass Politikerinnen und Experten, dass Ärzte und Pflegepersonal so phantastisch ihre Arbeit machen, ist wahrhaft Grund zum Dank. Und natürlich: dass ich leben darf und heute Morgen die aufgehende Sonne begrüße, trotz aller Mühe vielleicht ,welch ein Glück. Nicht anders ist es mit der Kunst zu schenken und sich anderen zuzuwenden. Das wohl wichtigste Geschenk, das wir einander machen können, ist Zeit. Und davon gibt es derzeit wesentlich mehr als sonst; so viele Termine mussten ja abgesagt werden. Zum Homeoffice gehört die gute Zeitgestaltung. Manches, was liegen geblieben ist, kann endlich angepackt werden; wir finden endlich mehr Zeit für uns selbst. Nicht zuletzt: wir können an andere mehr Zeit verschenken.

Im religiösen Sprachgebrauch nennt man das Beten: Zeit haben für Gott und seine Entdeckung mitten im Leben.  Ganz realistisch: wer sich zum ausdrücklichen Gebet entschließt, nimmt sich Zeit. Nein genauer: er macht von der Zeit Gebrauch, die schon da ist. Wer sich zum Meditieren setzt, verschenkt Zeit. Er oder sie geben dem Geheimnis Raum, das ihr Leben ist; sie segnen das Zeitliche, wortwörtlich. Da muß ich nicht Erfolg haben, da brauche ich keine Befriedigung und Erleuchtung: ich schenke Ihm Zeit, dem Schöpfer meines Lebens. Ich bin einfach da, und ich bin nicht mehr allein. Alles, was ich bin und geworden bin, gebe ich her und schenke es hin - und das im festen Vertrauen, längst getragen und bejaht zu sein. Sonst wäre ich ja nicht. Beten heißt, Gott Zeit schenken – absichtslos und ausdrücklich. “Einen Leib hast du mir gegeben, siehe ich komme, deinen Willen zu tun“, heißt es im Psalm 4o, und nicht zufällig wird dieser Vers später Jesus in den Mund gelegt (vgl Hebr 1o,5ff).

Übrigens ist mein Beten von Bedeutung auch für andere. Schon das liebevolle Denken an sie ist wichtig, noch mehr der Wunsch und die Fürbitte. „Das Gebet stiftet die Weltordnung“, meinte Franz Rosenzweig sogar. Schon ein einziges Vater-Unser kann Wunder wirken.

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