SWR2 Wort zum Tag

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30MRZ2020
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Heute, beim Morgengebet, treffe ich überraschend auf meinen Lieblingspsalm: „Gott ist mein Hirte, mir fehlt nichts. Auf grünen Auen lässt er mich lagern. Zur Ruhe an Wassern führt er mich. Meine Lebenskraft lässt er zurückkehren.“ Mir läuft es wohlig den Rücken hinunter: welch ein Vertrauen. Da spricht einer voller Zuversicht. Es komme, was da wolle – mir fehlt nichts, denn Gott ist mein Hirte. Für mich ist gesorgt. Welch ein Start in diesen Tag, in diese Woche.

Natürlich sehe ich bestenfalls in den Ferien mal eine Schafsherde, das Bild vom Hirten hat keinen unmittelbaren Anhalt mehr im Alltag. Trotzdem versteht es jeder und jede. Soll ich stattdessen vom Chef reden, von der Vorgesetzten, vom Präsidenten oder der Therapeutin? Entscheidend ist das vermittelte Gefühl von Vertrauen und Zuversicht - und das ist ja höchst aktuell: kann ich Vertrauen haben in die Politik, zu den Experten und Nachrichten? In der Nomadengesellschaft damals war der Hirte die zentrale Führungsfigur, das Leittier sozusagen.  Er gab die Richtung vor; er weiß, wo die grünen Wiesen sind und die Wasserquellen. „Meine Lebenskraft lässt er zurückkehren“ – welch tröstlicher Satz. Hirte war damals gleich König: gute Führung, „nichts fehlt mir“.

Aber im Ernst, ist dieses uralte Gedicht-Gebet nicht etwas blauäuig und naiv? Wer könnte schon sagen, dass ihm nichts fehlt – gerade heutzutage mit all den Einschränkungen? Aber beschönigt wird da nichts. Deshalb heißt es höchst realistisch dann weiter: „Auch wenn ich gehen muß durch das Tal der Finsternis, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, deine Keule und dein Stab, die geben mir Mut.“ Offenkundig ist hier kein idyllisches Hirtenleben vorausgesetzt. Der Alltag ist eher Kampf ums Überleben, Feinde sind da und Unglück ist möglich. Aber wieder wird das Bild vom Hirten zum Inbegriff seiner Führung, absolut verlässlich und stark. Mit der Keule verscheucht er wilde Tiere und böse Menschen, mit dem langen Hirtenstab hält er die Herde zusammen und hilft den Tieren nach, wenn es gefährlich wird.

Worauf verlasse ich mich heute und in diesen Tagen? Was gibt Halt und Vertrauen? Solch ein Psalm, laut gesprochen und das vielleicht öfter, macht etwas mit mir.  Er lässt jene Lebenstreue spüren, die wir Gott nennen, in guten und in bösen Tagen. Möge das heute deshalb ein guter Tag werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30639
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