Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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03APR2020
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Auf dem Friedhof. Ein Grabstein hat mich derart fasziniert, dass ich stehen geblieben bin. Da hat nur ein einziges Wort draufgestanden: GNADE. Sonst nichts. Nur dies eine Wort.

Gnade - auf einem schlichten, steinernen Kreuz.

Was liegt wohl verborgen unter so einem Grabstein? Das hab ich mich gefragt. Wie ist es wohl gekommen, dass da für ein ganzes Leben nur dies eine Wort geblieben ist – oder genügt hat...?

Gnade - ohne Vornamen, ohne Nachnamen. Ohne Lebenszeit.

- Vielleicht liegt dort ein Mensch begraben, der besonders große Schuld auf sich geladen hat...; und er - oder auch die Angehörigen - haben kein anderes Wort dafür gehabt...

- Vielleicht liegt dort aber auch ein ganz besonders bescheidener und demütiger Mensch, dem es nicht wichtig war, dass man sich später noch an ihn erinnert. Der einfach aus Gottes Gnade gelebt hat. Und genauso auch gestorben ist...

Das alles bleibt offen. Gnade lässt viel Raum.

- Gnade kann ein bitterliches Flehen sein; ein sehnlichster Wunsch.

Eine allerletzte Bitte, wenn ich mein Leben rückwärts betrachte: Gnade!

- Gnade kann die Überschrift sein über ein Leben. Die dankbare Zusammen-fassung. Und das einfache Schlusswort.
- Und Gnade kann ein Appell an die Nachwelt sein: „Vergesst das nie: alles Gute im Leben ist ganz unverdiente Gnade!“

Und: Gnade ist Verheißung; der Blick in eine ungeahnte Zukunft. In der Bibel wird Gottes Gnade als etwas beschrieben, das ewig ist:

Endlos, zeitlos, unermesslich. Die Gnade Gottes reicht so weit der Himmel ist... Sie weist in die höchste Höhe und in die tiefste Tiefe. Bis an den Tod. Und in alle Ewigkeit.

Wie eine große Überschrift steht die Gnade über allem:
Sie steht über Schuld und menschlichem Versagen. Und weist in eine Zukunft, die wir jetzt nur ahnen können. Sie ist sie ein lebendiges Wort Gottes.

Und ein großer Strich unter dem Leben, auf einem kleinen Grabstein.

Gnade.

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