Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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02APR2020
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Wie kann man jemanden trösten, der am Ende ist? Es gibt eine Szene in der Bibel, die zeigt mir das:
Sie erzählt von Hiob und seinen Freunden. Hiob, das ist der, der von einem unvorstellbaren Schicksal getroffen wird: Seine sieben Kinder kommen auf einen Schlag ums Leben. Er verliert seine Existenz. Und er leidet an einer quälenden Erkrankung. Schwere Schicksalsschläge gibt es nicht erst, seit es Corona gibt.

Als seine drei besten Freunde hören, was passiert ist, lassen sie alles stehen und liegen. Und machen sich auf den Weg. Manchmal muss man das tun. Da wird alles andere plötzlich ganz nebensächlich...

Das Herz ist ihnen sicher schwer geworden, auf dem Weg. - Was sagt man zu einem, der alles verloren hat? Aber einen guten Freund lässt man nicht im Stich. Man schiebt die bangen Fragen beiseite. Und vertraut auf den Augenblick.

Als die Freunde Hiob sehen, erkennen sie ihn nicht - so gezeichnet ist von Krankheit und Schmerz. Sein Anblick trifft sie mit solcher Wucht, dass sie aufschreien und weinen. Und vor Kummer ihre Kleider zerreißen.

Ihre Anteilnahme ist so unmittelbar, sein Schmerz ist ihr Schmerz. Da braucht es keine Worte; keine Beileidbekundungen; und schon gar keine aufmunternden Sprüche... Dem Freund nah sein, sein Elend teilen, das genügt. Es heißt in der Bibel: „Sie saßen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte.“

Das würden wir so sicher nicht mehr machen. Aber es erinnert mich an das, was viele Angehörige für ihre Schwerkranken tun: Sie bleiben da, auch über Nacht; auch im Krankenhaus. Vielleicht ist es das schwerste in der Coronakrise, wenn man das nicht mehr darf. Aber vielleicht kann man wenigstens anrufen?

Bei Hiob heißt es: „Keiner sprach ein Wort. Denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war.“ Es gibt einen Schmerz, zu dem dringen Worte nicht mehr vor. Sie stören nur. Hiobs Freunde sehen das. Und sie tun, was das Schwerste ist: Sie schweigen. Wie kann man jemanden trösten, der am Ende ist?

Wie Hiobs Freunde: Mitfühlen. Das Schwere aushalten. Bleiben. Und schweigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=30636
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